Tragische Einzelfälle?
Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten
Erscheinungsdatum: 5. Juli 2021
OBS-Arbeitspapier 47
Autorin: Christine E. Meltzer
Am 1. Februar 2018 trat in Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ in Kraft. In Artikel 17 der sogenannten Istanbul-Konvention werden explizit auch die Medien aufgerufen, „Richtlinien und Normen der Selbstregulierung festzulegen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und die Achtung ihrer Würde zu erhöhen“. Damit wird in einem Gesetz implizit festgehalten, was in der Wissenschaft schon länger Konsens ist und was auch die #MeToo-Bewegung deutlich zeigte: Ob und in welcher Form über Gewalt gegen Frauen berichtet wird, beeinflusst den gesellschaftlichen Umgang mit diesem Problem.
Christine Meltzer, Kommunikationswissenschaftlerin an der Uni Mainz, hat die Berichterstattung deutscher Tageszeitungen über einen längeren Zeitraum untersucht und rund 3.500 Zeitungsartikel analysiert. Die Autorin hat außerdem die Darstellung in den Medien immer wieder mit „offiziellen“ Daten und Statistiken verglichen. So konnte sie z.B. einige starke Verzerrungen aufdecken und zeigen, dass bereits in der faktischen Darstellung des Phänomens problematische Zerrbilder bestehen: In über der Hälfte der Artikel wird, so ein Ergebnis, über Gewaltfälle berichtet, die mit dem Tod des Opfers enden - dieser Extremfall macht jedoch weniger als ein Prozent aller Gewalttaten gegen Frauen aus.
Informationen zum Arbeitspapier 47
- OBS-Pressemitteilung: Tragische Einzelfälle oder strukturelles Problem? OBS-Studie über Gewalt gegen Frauen in Medien [PDF] [OBS-Presseportal]
- Talk mit Dr. Christine Meltzer, www.rheinmaintv.de, RheinMain im blick vom 06.07.2021
- "Zu viel Sensationsgier, zu großer Fokus auf Täter", Christine Meltzer im Gespräch mit Bettina Schmieding, www.deutschlandfunk.de, 12.07.2021
- "Gewalt gegen Frauen in den Medien: Gefährliche Lücke", www.taz.de, Carolina Schwarz, 05.07.2021
- "Zeitungen: Selten Berichte über Gewalt gegen Frauen", www.deutschlandfunknova.de, 05.07.2021
- "Gewalt gegen Frauen für Medien kaum ein Thema", epd, www.badische-zeitung.de, 06.07.2021
- "Fehler in der Berichterstattung: Medien stellen Gewalt gegen Frauen oft als Einzelfall dar", Thilo Jahn, www.deutschlandfunknova.de, 06.07.2021
- "Zu wenig Berichte über Straftaten wie Stalking und Nötigung", www.mdr.de/altpapier, René Martens, 06.07.2021
- "Gewalt gegen Frauen: Deutsche Täter sind in den Medien nur Einzelfälle", Hans-Jürgen Arlt, bruchstuecke.info, 10.07.2021
- "Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten", www.hilfetelefon.de, 05.04.2022
Was ist die Istanbulkonvention?
Die Istanbul-Konvention, das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, ist das erste verbindliche völkerrechtliche Instrument im europäischen Raum zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Mädchen. Sie wurde 2011 vom Europarat verabschiedet. Am 1. Februar 2018 trat die Konvention in Deutschland in Kraft. Die Bundesregierung verpflichtet sich mit ihrer Unterschrift die Konvention umzusetzen und Frauen vor allen Formen der Gewalt zu schützen. Dies schließt alle staatlichen Organe (Gerichte, Gesetzgeber und Strafverfolgungsbehörden) ein
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Die Autorin
Dr. Christine E. Meltzer arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie forscht zur Rolle von Medien in Intergruppenkonflikten. Ihr Fokus liegt auf der Analyse der medialen Abbildung von Migrant*innen und Migrationsthemen, der Untersuchung geschlechtsspezifischer Aspekte medialer Darstellungen sowie der Wirkung dieser Darstellungen auf die Wahrnehmungen von und Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen.
Kontakt
Dr. Christine Meltzer
Institut für Publizistik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
E-Mail: meltzer(at)uni-mainz.de
Webseite: www.kom.ifp.uni-mainz.de