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Pressemitteilung

Verpasste Chance: Berichterstattung über den "Guten Rat für Rückverteilung" wenig tiefgründig

+++ Neues OBS-Arbeitspapier analysiert die Kommunikationsstrategie des „Guten Rats für Rückverteilung“ und untersucht, wie medial berichtet wurde +++ 2024 von Marlene Engelhorn initiiert, hat der Rat über die Verwendung ihres Millionenerbes entschieden +++ Die Öffentlichkeitsarbeit des Rats stellte die Rückverteilungsaktion in den Kontext struktureller Vermögens- und Machtungleichheiten +++ Studie zeigt: Die mediale Berichterstattung war mehrheitlich oberflächlich und fokussierte sich stark auf die Person Marlene Engelhorn +++ Die grundsätzliche Kritik an ungleicher Vermögenskonzentration und die große Bedeutung demokratischer Prozesse wurden medial nur wenig beachtet +++

Der „Gute Rat für Rückverteilung“ bot Medien im Jahr 2024 eine besondere Chance über ungleiche Verteilung von Vermögen und Macht in unseren Gesellschaften zu berichten. 50 repräsentativ ausgewählte Personen konnten nach sechswöchiger Diskussion entscheiden, welche Organisationen das 25-Millionen-Erbe der Österreicherin Marlene Engelhorn erhalten sollten – ein bis dato nie dagewesener Vorgang. Die heute erschienene Studie „Über Reichtum berichten“ zeigt, dass diese Chance trotz fundierter Kommunikationsstrategie des Rats nur teilweise genutzt wurde: Die mediale Berichterstattung vernachlässigte die grundsätzliche Kritik an großer Vermögenskonzentration und räumte der großen Bedeutung demokratischer Mitbestimmung in Umverteilungsprozessen nur wenig Platz ein. Hingegen stellte jeder vierte Medienbericht explizit oder implizit die vom Rat artikulierte Kritik an Superreichen und Überreichtum in Frage.

„Der Gute Rat hat es geschafft, ein gesellschaftlich hoch relevantes Thema auf innovative Weise zu kommunizieren. Medial wurden die Botschaften jedoch mehrheitlich auf Oberflächlichkeiten reduziert“, so Studienautorin Carlotta Verita. Dem Rat sei es gelungen, sachlich fundiert über das komplexe Thema Vermögensungleichheit auf allen relevanten Kommunikationsplattformen zu informieren, schreiben die Forscher*innen. Die Berichterstattung stellte hingegen immer wieder die Person Marlene Engelhorn in den Vordergrund. „Dadurch wurde der Platz eng, um auch über strukturelle Ursachen der Vermögenskonzentration und Nebenwirkungen wie politische Machtasymmetrien zu berichten“, resümiert Mitautor Moritz Gartiser.

Während der Rat in seiner Außenkommunikation immer wieder darauf verwies, dass privater Reichtum notwendig von gesellschaftlichen, politischen und ökologischen Strukturen und Rahmenbedingungen abhängig ist, wurde diese Botschaft medial kaum aufgegriffen. Für Gartiser ist klar, dass sich Themen besser über Personen erzählen lassen und Medien zum Teil vereinfachen müssen. Zugleich sei es jedoch notwendige Aufgabe der vierten Gewalt, „das Thema Vermögensungleichheit komplex und differenziert, als gesellschaftliches und demokratisches Problem jenseits einzelner Personen zu diskutieren.“

Der starken Lösungsorientierung in der Kommunikation des Guten Rats wurde medial nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt: Rund 40 Prozent der Mitteilungen des Rats hoben hervor, dass demokratische Prozesse zentral sind, um Um- und Rückverteilungsaktionen zu legitimieren. „Der Gute Rat zeigt ganz praktisch, dass die Demokratisierung von Umverteilungsprozessen ein wegweisender Ansatz für mehr soziale Gerechtigkeit und für eine Auseinandersetzung mit undemokratischen Vermögens- und Machtungleichheiten ist“, sagt Studienautor Hendrik Theine. Allerdings griffen nur 26 Prozent aller Medienbeiträge diesen Aspekt auf. „Es wird deutlich, wie schwer es für neue demokratische Verfahren ist, im öffentlichen Diskurs Gehör zu finden“, bilanziert Verita. Umso wichtiger sei es, die kommunikativen Strategien weiterzuentwickeln – und die Logik und Ausrichtung eines Medienzyklus mitzudenken, der sich tendenziell auf leicht konsumierbare, konfliktträchtige und oft negativ gefärbte Themen konzentriert.

„Mitbestimmung in Wirtschaftsfragen und die gerechte Verteilung von Reichtum sind Kernforderungen der Gewerkschaftsbewegung“, sagt OBS-Geschäftsführer Can Gülcü. „Angesichts der gegenwärtigen Angriffe von rechter Politik und Kapital auf die Demokratie weltweit“, so Gülcü weiter, „sollten Medien innovative Projekte wie den ‚Gute Rat für Rückverteilung‘ nicht ungenutzt lassen, um die Ursachen und Folgen obszöner Vermögenskonzentration verständlich darzustellen.“

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ber Reichtum berichten - Der 'Gute Rat für Rückverteilung' in den Medien

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