+++ OBS-Studie analysiert ausführlich Bildungsarbeit der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) +++ Zentraler Befund: Personal und Referent:innen der Stiftung sind tief in den Netzwerken der Neuen Rechten verwurzelt +++ Regierung und Parlament können die Förderung durch Steuermitteln der DES verhindern +++ Zunehmender Extremismus in der AfD trägt zur weiteren Radikalisierung der Stiftung bei +++ Finanzierungsgesetz sollte die Förderung der Grund- und Menschenrechte als Entscheidungskriterium festschreiben +++
Ein Ausschluss der DES aus der staatlichen Finanzierung parteinaher Stiftungen ist verfassungsrechtlich geboten, politisch möglich und strategisch notwendig. Zu diesem Schluss kommt ein Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung (OBS), das sich intensiv mit den neueren Entwicklungen der DES auseinandersetzt. Die Autoren Arne Semsrott und Matthias Jakubowski analysieren erstmals die Bildungsarbeit der AfD-nahen Stiftung. Sie formulieren konkrete Anforderungen an das geplante Stiftungsfinanzierungsgesetz. Ein Ausschluss der DES aus der staatlichen Förderung wird begründet. Gezeigt wird auch, wie diese Forderung umgesetzt werden kann.
Seit dem erneuten Einzug der AfD in den Bundestag 2017 steht die bisherige Praxis der Finanzierung parteinaher Stiftungen vor großen Herausforderungen. Im Februar 2023 hat das BVerfG entschieden, dass die DES nicht über einen „einfachen“ Haushaltbeschluss von der staatlichen Unterstützung ausgeschlossen werden darf. Gleichzeitig hat es dem Gesetzgeber mit auf den Weg gegeben, dass in einem Gesetz zur Finanzierung parteinaher Stiftungen eine tragfähige Lösung liegen kann. Eine Forderung, die auch seit längerem von der Zivilgesellschaft diskutiert und aktuell im politischen Berlin überfraktionell beraten wird.
Das Gesetz muss allgemeine Kriterien für die Förderfähigkeit parteinaher Stiftungen formulieren. Die Autoren empfehlen, die aktive Förderung der Grund- und Menschenrechte als zentrales Kriterium für die Stiftungsfinanzierung zu definieren. „Sie sind zentrale Voraussetzung für die politische Bildungsarbeit und konstitutiver Bestandteil des demokratischen Rechtsstaats“, so Studienautor Matthias Jakubowski. Er ergänzt: „Insofern sind sie sehr viel besser geeignet als der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung, der zu stark von den Verfassungsschutzbehörden geprägt ist.“ Das Stiftungsfinanzierungsgesetz sollte aber auch genutzt werden, um die Prüfung parteinaher Stiftungen insgesamt zu reformieren. Studienautor Arne Semsrott: „Die Prüftätigkeit sollte von keinen Ministerien oder Sicherheitsbehörden übernommen, sondern durch einen unabhängigen wissenschaftlichen Beirat sichergestellt werden.“ Vorgeschlagen wird, die Bundeszentrale für politische Bildung sowie zivilgesellschaftliche Akteure aus der Bildungsarbeit einzubeziehen.
Für die aktuelle Bestandaufnahme haben die Autoren Themen und Veranstaltungen der DES-Bildungsarbeit der vergangenen zwei Jahre untersucht. Insgesamt 67 Veranstaltungen wurden für die Studie analysiert. Für deren antidemokratische Ausrichtung steht exemplarisch ein im November 2021 durchgeführtes Seminar. Unter dem Titel „Die Rolle des Staates in der Wirtschaft“ waren u.a. mit Jurij Kofner und Joachim Paul zwei Referenten geladen, die aufs engste mit neurechten Netzwerken verbunden sind, in einschlägigen extrem rechten Publikationen veröffentlicht haben und wiederholt mit völkischen, antisemitischen und rassistischen Aussagen aufgefallen sind.
„Eine intensive Recherche und die hartnäckige Auseinandersetzung mit dem Personal und den von der Stiftung verbreiteten Inhalten sind Voraussetzung dafür, der DES eine staatliche Förderung zu verwehren“, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. Während die DES sich selbstverharmlosend als konservativ beschreibt, zeigt die Analyse, dass das Personal der Stiftung zu den zentralen Netzwerkern der extremen Rechten gehört: „Seien es völkische Familien- und Bevölkerungspolitik, Antifeminismus, Leugnung des Klimawandels oder die Verbreitung von Verschwörungsideologien: Die DES propagiert zentrale Themen der Neuen Rechten, versucht ihnen einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen, um sie bis tief in die Mitte der Gesellschaft zu tragen“, so Legrand weiter. Die Autoren lenken auch den Blick auf die Zukunft der Stiftung. Immer lauter und stärker werden dabei Stimmen aus dem Umfeld der DES, die fordern, dass die Stiftung noch offener und aktiver neurechte, faschistische Positionen vertritt.
Die Gefahr, die die DES für die Demokratie darstellt, ist zu lange nicht ernstgenommen worden. „Die DES ist zentrale Akteurin in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext, in dem immer mehr Tabus verschoben werden, rechte Gewalt weiter zunimmt und eine radikalisierte AfD in Umfragen so gut dasteht wie nie zuvor“, so Jakubowski und Semsrott. Damit die DES zukünftig keine Finanzierung vor Gericht einklagen kann, stehen Regierung und Parlament in der Pflicht, alle gesetzgeberischen Mittel auszuschöpfen, um noch vor der Entscheidung zum Haushaltsgesetz 2024 ein gutes Stiftungsfinanzierungsgesetz zu verabschieden.
Arne Semsrott/Matthias Jakubowski: Desiderius-Erasmus-Stiftung: Immer weiter nach rechts außen, OBS-Arbeitspapier 61, Frankfurt am Main, im September 2023
OBS-Arbeitspapier 61 als pdf |
Kontakt zu den Autoren:
Arne Semsrott
E-Mail: arne.semsrott(at)okfn.de
@arnesemsrott
@fragdenstaat
www.fragdenstaat.de
Matthias Jakubowski
E-Mail: matthias.jakubowski(at)posteo.de
@tiisbosbi
Kontakt zur Otto Brenner Stiftung:
Otto Brenner Stiftung
Geschäftsführer
Jupp Legrand
Telefon: 069 - 6693 2810
E-Mail: info(at)otto-brenner-stiftung.de
@OBSFrankfurt
www.otto-brenner-stiftung.de