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Otto Brenner Newsletter

04/2021 – 19. August 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir waren selbst von dem medialen Erfolg unseres schmalen Arbeitspapieres überrascht: Die SZ berichtete vorab, faz.net präsentierte einige Schaubilder und die FAZ griff das Thema in Print prominent auf, auf tagesschau.de war der ausführliche Bericht ein Renner, in der Welt Anlass für eine bissige Kolumne, in den sozialen Medien waren wir am zweiten Juli-Wochenende sehr präsent. „Aufstocker IV“, so der Titel von AP 49, zieht auf knapp 40 Seiten eine Bilanz der Nebeneinkünfte der Bundestag-Abgeordneten der auslaufenden 19. Wahlperiode. Wir gehen davon aus, dass die Volksvertreter*innen die monatlichen Diäten von gut 10.000 Euro mit insgesamt etwa 53 Mio. Euro zwischen Ende 2017 und Sommer 2021 aufgestockt haben.

Dass Abgeordnete, die neben dem Mandat Einnahmen generieren, diese künftig auf Euro und Cent genau angeben müssen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung - aber er löst nicht das Problem der Kontrolle. Wir schlagen u.a. eine Kommission aus Abgeordneten, Fachleuten der Bundestagsverwaltung und externen Experten vor, die die Umsetzung der neuen Regelungen begleiten und die Praxis der Meldung von Nebeneinnahmen in der nächsten Legislaturperiode kontrollieren sollte.

Die Auslobung des Brenner Preises für kritischen Journalismus, 2021 vergeben wir ihn zum 17. Mal, ergänzen wir seit Jahren mit medienkritischen Studien, die den Wandel der Medienwelt durchleuchten, den Fragmentierungen der Öffentlichkeit nachspüren und Anstöße für medienpolitische Diskurse zu geben versuchen.

Es liegt für uns somit auf der Hand, der boomenden Podcast-Landschaft in Deutschland eine tief bohrende Studie zu widmen. Ganz druckfrisch können wir unsere „Podcast-Studie“ empfehlen, die u.a. nach der Bedeutung des Mediums für den öffentlichen Diskurs und unsere Kommunikationskultur fragt. Beschrieben wird eine „neue Kultur des Zuhörens“, aber identifiziert werden auch technisch-strukturelle und ökonomische Entwicklungen, die die starken aufklärerischen Elemente des Mediums Podcasts zu gefährden drohen. Das Autorenteam plädiert dafür, „die Chancen dieses noch jungen Mediums für das politische Gemeinwohl zu nutzen und nicht sehenden Auges in eine neue Abhängigkeit zu schlittern, wie dies gegenüber YouTube und anderen sozialen Medien geschehen ist“. Die Stiftung ist der Auffassung, dass es sich lohnt, um die Vielfalt, das Niveau und den diskursiven Charakter der Podcast-Kultur zu ringen und ihr eine Zukunft zu sichern. Das wollen wir, Autor*in und Stiftung, mit der Studie unterstreichen.

Herzlichen Dank für das Interesse an unserer Arbeit und mit freundlichen Grüßen
Das OBS-Team

Frankfurt/Main, im August 2021

+++ aktuelle Studie ++ soeben erschienen ++ AH 106 druckfrisch bestellen +++

„Wo auf den richtigen Ton Wert gelegt wird“ – Die Podcast-Studie der OBS

Plattformen wie Facebook, Telegram oder YouTube sind wegen ihrer Bedeutung für die Verbreitung rechtsextremer und verschwörungserzählerischer Inhalte schon länger Kritik ausgesetzt. Die Podcast-Landschaft ist hingegen von ähnlichen Skandalen weit entfernt. Eine kultivierte, respektvolle Kommunikation ist hier die Norm - Wut, Hetze, Hass und (negative) Emotionalität sind Randerscheinungen ohne Relevanz. Unser Autor*innen-Team zeigt, dass Politik-, Nachrichten- und Wissenspodcasts sowie anspruchsvolle und längere Gesprächs-Angebote ungebrochen Popularität genießen und sich mit der Podcast-Landschaft eine besondere Form der „Aufklärung“ zu etablieren beginnt. Die Untersuchung identifiziert allerdings auch mittelfristige Bedrohungen dieser lobenswerten „Kultur“.

Lutz Frühbrodt/Ronja Auerbacher: Den richtigen Ton treffen - Der Podcast-Boom in Deutschland, OBS-AH 106, Frankfurt am Main, August 2021

Medienjournalismus ist besser als sein Ruf

Wissenschaftler*innen der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg haben die Medienseiten der überregionalen Printausgaben SZ, FAZ und taz sowie der Regionalzeitungen WAZ, Tagesspiegel und Kölner Stadt-Anzeiger analysiert. Insgesamt wurden über 2000 Medienartikel untersucht.

Der Medienjournalismus deutscher Tageszeitungen zeichnet sich durch eine überwiegend sachliche Berichterstattung aus. Festgestellt wurde ein ausgeglichener Mix von ,harten‘ medienpolitischen Themen einerseits und ,weichen‘ Unterhaltungsthemen andererseits.

Die Studie identifiziert aber auch Schwachstellen. Die dringend gebotene Reflexion über die gesellschaftlichen Folgen der Medienumwälzungen kommt zu kurz. Veränderungen durch die Digitalisierung und die Europäisierung der Medien-Landschaft spielen eine untergeordnete Rolle, für Belange des Hörfunks zeigt der Medienjournalismus zu wenig Interesse.

Hektor Haarkötter/Filiz Kalmuk: Medienjournalismus in Deutschland. Seine Leistungen und seine blinden Flecken; AH 105

 

Probleme der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung

Die Qualität der wirtschaftsjournalistischen Berichterstattung führt seit Jahren immer wieder zu Kontroversen. Kritisiert wird, dass einseitige Sichtweisen auf wirtschaftspolitische Entwicklungen dominieren und die konzeptionelle Vielfalt ökonomischer Theorien nicht genügend abgebildet wird. Einen Ansatzpunkt zur Veränderung dieses Zustandes stellt die Ausbildung der Journalist*innen dar. In unserer empirisch breit angelegten Studie geht der Autor deshalb der Frage nach, wie wirtschaftswissenschaftlich plural und reflexiv Wirtschaftsjournalist*innen qualifiziert werden. Grundlegende Qualifizierungszugänge werden identifiziert, über 300 Modulangebote aus 17 Studiengängen von sechs Universitäten und drei Hochschulen untersucht. Ergebnis: Die wirtschaftsjournalistischen Zugänge zeichnen sich nicht durch inhaltliche Breite aus, sondern haben bereits eine wirtschaftspolitische Schlagseite. Stiftung und Autor schlagen einen Mindeststandard für wirtschaftsjournalistische Qualifizierung vor, der aus drei Bausteinen besteht.

Qualifiziert für die Zukunft?“ Zur Pluralität der wirtschaftsjournalistischen Ausbildung in Deutschland, AH 104 der OBS

Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten

Ob und in welcher Form über Gewalt gegen Frauen berichtet wird, beeinflusst den gesellschaftlichen Umgang mit diesem Problem. Christine Meltzer, Kommunikationswissenschaftlerin am Institut für Publizistik an der Uni Mainz, hat die Berichterstattung deutscher Tageszeitungen untersucht und rund 3.500 Artikeln analysiert.

Die Autorin vergleicht die Darstellung in den Medien dabei immer wieder mit „offiziellen“ Daten und Statistiken. So konnte sie z.B. einige Verzerrungen aufdecken: In über der Hälfte der Artikel wird über Gewaltfälle berichtet, die mit dem Tod des Opfers endeten - dieser Extremfall macht jedoch weniger als ein Prozent aller Gewalttaten gegen Frauen aus. Die mit zwei Dritteln „alltäglichste“ Form der Gewalt gegen Frauen, die Körperverletzung, findet medial hingegen kaum Erwähnung (18 Prozent aller Artikel).

Und: Gewalttaten an Frauen werden viel zu selten als Gewalttaten in Partnerschaften oder intimen Beziehungen präsentiert. Von Gewalt Betroffene finden inzwischen in den Medien Gehör, sie sprechen über ihre Erlebnisse, fordern strafrechtliche Konsequenzen und mehr politische Grenzziehungen. Medien sollten diese Entwicklungen angemessen begleiten, unterstützen und stärken, schreiben Stiftung und Autorin.

Christine Meltzer: Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten, AP 47 der OBS

„Fraktion der Aufstocker“ hat ca. 53 Mio. € Einkünfte neben den Diäten

Nebeneinkünfte, so ein zentraler Befund der aktuellen OBS-Untersuchung über „Aufstocker“ im Bundestag, sind das Problem einer privilegierten Minderheit von (männlichen) Abgeordneten, die überproportional häufig aus der Unionsfraktion kommen. 261 Bundestagsabgeordnete der zu Ende gehenden 19. Wahlperiode gaben an, „entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat“ ausgeübt zu haben. Die geschätzten ca. 53 Millionen Euro Nebeneinkünfte der 19. Wahlperiode wurden zu fast 60 Prozent von Mitgliedern der Union generiert. In der FDP-Fraktion, ein Novum in der Geschichte der Untersuchungsreihe, gibt es kein Mitglied ohne veröffentlichungspflichtige Angaben.

Anwälte sind nicht nur die im Parlament überrepräsentierteste Berufsgruppe. Auch unter den „Aufstockern“ bilden sie die größte Teilgruppe. Im Vergleich der Wahlperioden seit 2009 ist ihr Anteil an Mitgliedern des Bundestages zwar kontinuierlich gesunken, die Summe ihrer „Neben“-Einnahmen ist jedoch deutlich gestiegen.

Die OBS legt die fünfte Studie zum Dauerbrenner-Thema Zusatzjobs und Nebeneinkünfte vor, die auf inzwischen ca. 4.000 Datensätzen fußt. Konstant ein Drittel aller Abgeordneten meldet „außerparlamentarische“ Einnahmen. Neuregelungen, die ab Herbst 2021 gelten, lösen keine Probleme, schreiben Stiftung und Autor. Sie identifizieren Handlungsdefizite, regen eine Kommission zur Kontrolle an, schlagen einen verbindlichen Verhaltenskodex vor und plädieren für striktere Regelungen.

Sven Osterberg: Aufstocker im Bundestag IV – Bilanz der Nebenverdienste der Abgeordneten in der 19. Wahlperiode

Demokratie- und Engagementpolitik im Deutschen Bundestag 2017 - 2021

Volksparteien und ihre Gestaltungsmacht erodieren, das Vertrauen in Politik und Parlamente sinkt, die Zivilgesellschaft zeigt zuweilen ihre dunkle Seite: alles Entwicklungen, die dazu führen, dass die Demokratie- und Engagementpolitik als vergleichsweise neues Politikfeld an Relevanz gewinnt. Sie gilt als ein Querschnittsthema, mit dem nicht nur die Regierung Akzente setzen kann, sondern das auch breite Handlungsarenen für die Opposition mit vielfältigen Profilierungschancen aufweist. Das bestätigt die aktuelle Kooperations-Studie „Oppositionelle Engagement- und Demokratiepolitik im Deutschen Bundestag (2017-2021)“ von OBS und BBE.

Der Autor analysiert nicht nur die Strukturen moderner Engagement- und Demokratiepolitik der Oppositionsfraktionen im 19. Deutschen Bundestag. Seine Untersuchung macht diesen Teil der Oppositionspolitik überhaupt erst für ein breites Publikum sichtbar. Gezeigt wird u.a., wie die Regierung von der parlamentarischen Opposition kritisiert und welche unterschiedlichen Konzepte die jeweiligen Fraktionen entwickeln, um gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen.

Weitere Publikationen aus 2021 – Print-Exemplare vergriffen; Download noch möglich!

OBS/SNL: Arbeitsmarktprojekte in den neuen Bundesländern

Die „Stiftung zur Förderung arbeitsmarktpolitischer Vorhaben in den neuen Bundesländern“ ist eine nicht rechtsfähige Stiftung in Verwaltung der Otto Brenner Stiftung (OBS). Seit mehr als einem Jahrzehnt unterstützt die „Stiftung neue Länder (SNL)“ auch konkrete Arbeitsmarktprojekte. Dabei kann es etwa um die Reintegration von Langzeitarbeitslosen auf den 1. Arbeitsmarkt gehen oder um aktive Unterstützung für Jugendliche, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Die Stiftung kann auch von ihr finanzierte Projekte wissenschaftlich begleiten lassen.

Kooperationen, Termine, Tipps und Links