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Otto Brenner Newsletter

15. Juni 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

schon seit einiger Zeit zeichnet sich ab, dass öffentlich-rechtliche Medien wie die ARD-Anstalten, die ZDF-Familie oder die Angebote des Deutschlandradios (DLR) mit ihren linearen Angeboten immer weniger Menschen erreichen. Häufig wird auch beklagt, dass sich die Altersgruppe bis 40 überwiegend mit non-linear verbreiteten Inhalten informiert, vorwiegend über soziale Netzwerke. Um aber bei diesem jüngeren Publikum wünschenswerte Relevanz in Meinungsbildungsprozessen zu erlangen, produzieren auch ARD-, ZDF- und DLR-Redaktionen inzwischen mehr als 270 journalistische Formate, die für die Verbreitung in sozialen Netzwerken gedacht sind.

Dass sich die öffentlich-rechtlichen Medien (ÖRM) mit diesem plattform-optimierten Journalismus ein Problem einhandeln könnten, wurde schon länger nicht nur von der medienkritischen OBS vermutet. Jetzt hat der Hörfunk-Redakteur und Wissenschaftler Henning Eichler diese Frage aufgegriffen und in einer innovativen Studie untersucht. Darin beschreibt er einen Konflikt der ÖRM zwischen gesetzlichem und gesellschaftlichen Auftrag einerseits und dem Anspruch andererseits, über Beiträge Reichweite, Interaktion, Verweildauer und damit Relevanz erreichen zu wollen.

Vor einem neugierigen und interessierten Publikum der re:publika hat OBS-Autor Eichler in Berlin dieses Problem Anfang Juni dargestellt, die Logik der Plattformen analysiert und vorgetragen, dass sich die Arbeit der ÖRM an Mechanismen der Plattformökonomie ausrichtet. Seine Analyse fragt nicht nur, ob eine algorithmische Logik inzwischen an die Stelle von redaktioneller Autonomie getreten ist. Der Autor entwickelt auch Auswege aus dem erwähnten Dilemma und diskutiert Alternativen für einen werteorientierten Journalismus. Prädikat: besonders wertvolles Wissen.

Werteorientierter Journalismus ist auch ein gutes Stichwort für unsere unabhängige Jury, die seit Jahren aus zahlreichen Bewerbungen besonders gelungene und herausragende Einreichungen mit dem begehrten Otto Brenner Preis auszeichnet. Noch zwei Wochen läuft die Ausschreibung online – dann sichtet die Jury die Eingaben und trifft Ende September ihre Entscheidungen. Die diesjährigen Preisträger:innen werden wir am 26. November auszeichnen. Eine Verleihung, auf die wir uns in diesem Jahr besonders freuen. Denn es jährt sich 2022 die Gründung der Stiftung zum 50. Mal. Otto Brenner starb am 15. April 1972, wenige Monate später nahm die Stiftung seines Namens die Arbeit auf, zur Feier seines 65. Geburtstages (8. November 1972) erschienen schon die ersten Bände der OBS-Schriftenreihe.

Das Team der OBS bereitet im Jubiläumsjahr mehrere Veranstaltungen vor; Höhepunkt soll eine würdevolle Festveranstaltung mit geladenen Gästen im November am Stammsitz in Frankfurt/M. sein. Schon am 15. April, dem 50. Todestag Brenners, sind wir mit www.obs50.de online gegangen. Künftig werden wir dort nicht nur regelmäßig über unsere Vorhaben informieren. Gestartet sind wir mit einer Online-Veranstaltung am 25. April. Anlass war der 50. Jahrestag der „Lebensqualität“ -Tagung der IG Metall in Oberhausen 1972, an der Otto Brenner krankheitsbedingt nicht mehr teilnehmen konnte.

Wir nehmen mit Elan und Zuversicht die anstehenden Aufgaben in Angriff - und danken dafür, dass unsere Leser:innen unsere Arbeit schätzen, mit Interesse die Ergebnisse verfolgen und uns gelegentlich auch durch Spenden materiell unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen
Das OBS-Team

Frankfurt/Main, Juni 2022

Otto Brenner Preis zum 18. Mal ausgeschrieben

Auch 2022 haben wir den "Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus" wieder ausgeschrieben, zum inzwischen 18. Mal. Seit dem 1. April und noch bis zum 30. Juni nehmen wir online Bewerbungen entgegen. Der Preis ist in 5 Kategorien ausgelobt; es sollen auch wieder bis zu 3 Recherche-Stipendien vergeben werden. Publikumsempfehlungen sind uns wie immer willkommen. Mit einer Gesamtdotierung von 47.000 € belegt unser Otto Brenner Preis einen Spitzenplatz unter den deutschsprachigen Journalist:innen-Preisen.

Aktueller Lese-Tipp: Journalismus im Bann der Algorithmen?

Die Optimierung der Angebote der öffentlich-rechtlichen Medien für die erfolgreiche Verbreitung in sozialen Netzwerken lässt einen Konflikt entstehen - zwischen gesellschaftlichen und gesetzlichem Auftrag einerseits und dem Anspruch andererseits, über Beiträge Reichweite, Interaktion, Verweildauer und damit Relevanz erreichen zu wollen. Algorithmen priorisieren emotionale, polarisierende, kurze und aktuelle Inhalte gegenüber komplexen, tiefgründigen oder ausgewogenen Berichten. Die Analyse fragt, ob eine algorithmische Logik inzwischen an die Stelle von redaktioneller Autonomie getreten ist und wagt, Wege aus dem Dilemma zu zeigen bzw. zu diskutieren.

Henning Eichler: Journalismus in sozialen Netzwerken. ARD und ZDF im Bann der Algorithmen?, AH 110 der OBS, Frankfurt/Main, Juni 2022

Leseempfehlung der OBS: Freie Journalist:innen in der Corona-Pandemie

In der Corona-Pandemie sind freie Journalist:innen in unterschiedlicher Weise von den Einschränkungen und Maßnahmen betroffen. Es kann generell festgestellt werden, dass es für fast alle zu kurzzeitigen Einkommens- und Auftragseinbußen gekommen ist. Insbesondere nebenberufliche freie Journalist:innen im Print- und Lokalbereich sind auch längerfristig von Beschäftigungsmöglichkeiten abgeschnitten. Eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitssituation, vor allem nebenberuflicher freier Journalist:innen, ist dringend geboten.

Barbara Witte/Gerhard Syben: Erosion von Öffentlichkeit. Freie Journalist:innen in der Corona-Pandemie, OBS-Arbeitsheft 109, Frankfurt am Main 2022

Grafik zum OBS-Arbeitsheft zu den Arbeitsbedingungen freier Journalist*innen

Framing in der Wirtschaftsberichterstattung

Mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse zeichnen die Autor:innen den Sinneswandel nach, wie in deutschen Medien über den „Haushaltsstreit“ zwischen EU-Kommission und Italien 2018 und die Verhandlungen über die Corona-Hilfen 2020 berichtet wurde – und welche Rolle ökonomische Paradigmen wie „Neoklassik“ und „Keynesianismus“ dabei spielen. 2018 dominierte ein neoklassischer Blick in 95 Prozent der Artikel, eine höhere Staatsverschuldung zur Lösung ökonomischer und sozialer Probleme wurde strikt abgelehnt. Während der EU-weiten Verhandlungen zur Gestaltung der Corona-Hilfsmaßnahmen 2020 überwogen hingegen keynesianische Problemdefinitionen (74 Prozent der Artikel), die erleichterte Schuldenaufnahmemöglichkeiten für Staaten guthießen.

Victoria Teschendorf, Kim Otto: Framing in der Wirtschaftsberichterstattung – Der EU-Italien-Streit 2018 und die Verhandlungen über Corona-Hilfen 2020 im Vergleich, OBS-Arbeitsheft 108, Frankfurt am Main, im März 2022

Auslandsberichterstattung in der Krise

(nur noch wenige Exemplare lieferbar)

„Das Verblassen der Welt“ analysiert die Krise der deutschen Auslandsberichterstattung und betrachtet die Herausforderungen des internationalen Journalismus zwischen Zuschauerinteressen, Finanzierung und persönlicher Sicherheit. Neben schrumpfenden Budgets können auch die Ausdünnung der Auslandsseiten sowie der weltweite Anstieg von Propaganda und Repressionen gegen Journalist:innen für die Krise der Berichterstattung verantwortlich gemacht werden. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken bedarf es einer Stärkung von Netzwerken und Strukturen freier Korrespondent:innen ebenso wie eine Abwägung von Chancen und Risiken einer öffentlichen Förderung der Auslandsberichterstattung.

Marc Engelhardt, Das Verblassen der Welt. Auslandsberichterstattung in der Krise, OBS-Arbeitspapier 53, Frankfurt am Main, im Februar 2022

Grafik zum OBS-Arbeitspapier 53 zur Krise der Auslandsberichterstattung
Grafik zum OBS-Arbeitspapier 53 zur Krise der Auslandsberichterstattung

Bundeswehreinsätze und Berichterstattung

Die OBS hat im Mai kurzfristig entschieden, die wichtigsten Ergebnisse einer Untersuchung, die mit dem Medienjournalisten und Afrikanisten Dr. Lutz Mükke vorbereitet wird, vorab noch zu der Parlamentsdebatte zu veröffentlichen. Der Bundestag hat inzwischen über die Fortsetzung der Sahel-Mandate der Bundeswehr entschieden. Die historische Niederlage des Westens in Afghanistan, die Irak- und Libyen-Desaster und der furchtbare Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigen die Notwendigkeit hintergründiger und qualitätsvoller demokratischer Diskurse. Die Festschreibung der Bundeswehr als Parlamentsarmee bedeutet die besondere Verpflichtung, mit diesem Themenkomplex demokratisch-diskursiv umzugehen. Wenn die Bundesrepublik Militärs entsendet, müssen unabhängige deutsche Leitmedien parallel dazu willens und in der Lage sein, über diese Militär-Entsendungen und ihre Kontexte umfassend, fortlaufend und hintergründig zu informieren. Über Truppen-Entsendungen ins Ausland müssen innenpolitische Meinungsbildungsprozesse stattfinden. Parlamentarische Debatten und massenmediale Diskurse sind für demokratische Systeme unverzichtbar. Die OBS fragt, ob das Mediensystem diesen Aufgaben bei der Sahel-Entsendung gerecht geworden ist.

Lutz Mükke, Mediale Routinen und Ignoranz? Die Sahel-Einsätze der Bundeswehr im öffentlichen Diskurs; Kurzfassung der Studie, Frankfurt im Mai 2022

30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung

Arbeitspapier wieder lieferbar – und neu: Termine der regionalen Veranstaltungsreihe!

Unser Vorschlag, über die Entwicklung der Medien (in den neuen Bundesländern) nach dem Mauerfall zu diskutieren, ist auf großes Interesse gestoßen. Das Diskussionspapier wurde breit aufgegriffen, kontrovers rezipiert und wird inzwischen wieder intensiv diskutiert. So z.B. bei den fünf regionalen Veranstaltungen, die in Ostdeutschland stattfinden und um unser AP 45 "30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung" kreisen. Stiftung und Autor sind an der Vortragsreihe beteiligt, die Termine stehen fest, interessante Podien werden geboten, kontroverse Debatten garantiert. Das vergriffene Arbeitspapier haben wir leicht überarbeitet und aktualisiert nachgedruckt; Bestellungen sind wieder möglich und erwünscht.

Lutz Mükke, 30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung. Schreiben Medien die Teilung Deutschlands fest? OBS-Arbeitspapier 45, Frankfurt am Main, März 2021

„Meine Medien, meine Stimme? Zur Rolle der Medien in Ostdeutschland“

Die weiteren Termine und Orte (nach dem Start in Cottbus) für unsere gemeinsame Veranstaltungsreihe „Meine Medien, meine Stimme? Zur Rolle der Medien in Ostdeutschland“ stehen fest:

• 22.06.2022 (18:00 – 20:00 Uhr), Plauen: Bürgerdebatte „Mediale Problemzone Ostdeutschland“

• 24.08.2022 (18:00 – 20:00 Uhr), Schwerin: Bürgerdebatte „So isser, der Ossi“

• 14.09.2022 (18:00 – 20:00 Uhr), Dessau-Roßlau: Bürgerdebatte „(K)ein richtiges Gespür für relevante Themen“

• 19.10.2022 (18:00 – 20:00 Uhr), Weimar: Bürgerdebatte „Allmächtige Medien, ohnmächtige Medien“

Koordination der Reihe und Anmeldungen: www.deutsche-gesellschaft-ev.de

Ansprechpartner (auch für regionale Kooperationen): madeleine.petschke@deutsche-gesellschaft-ev.de

OBS/SNL: Arbeitsmarktprojekte in den neuen Bundesländern

Die „Stiftung zur Förderung arbeitsmarktpolitischer Vorhaben in den neuen Bundesländern“ ist eine nicht rechtsfähige Stiftung in Verwaltung der Otto Brenner Stiftung (OBS). Seit mehr als einem Jahrzehnt unterstützt die „Stiftung Neue Länder (SNL)“ konkrete Arbeitsmarktprojekte. Dabei kann es etwa um die Reintegration von Langzeitarbeitslosen auf den ersten Arbeitsmarkt gehen oder um aktive Unterstützung für Jugendliche, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Die Stiftung kann auch von ihr finanzierte Projekte wissenschaftlich begleiten lassen.

Neuer Flyer zum 50-Jahre-Jubiläum

Unser aktualisierter Flyer „Stiftung schafft Wissen – seit 50 Jahren“ trägt dem Jubiläum Rechnung, denn die Wissenschaftsstiftung der IG Metall feiert 2022 Geburtstag. Aber auch über das Profil, die Themen und Kommunikationswege der Stiftung informieren wir. Er kann gelesen, runtergeladen und bestellt werden; er eignet sich auch für Veranstaltungen, Konferenzen und Tagungen.

OBS: Webtalk zu 50 Jahre „Oberhausen“ anschauen und nachhören

Die Tagung zum Thema „Lebensqualität“, die vom 11. bis zum 14. April 1972 in Oberhausen stattfand, genießt nicht nur in der IG Metall einen legendären Ruf. Auch weit über die Gewerkschaften hinaus ist sie für die Debatte über gesellschaftspolitische Weichenstellungen von historischer Bedeutung. Sowohl der plötzliche Tod des 1. Vorsitzenden Otto Brenner als auch die Oberhausen-Tagung jährten sich im April zum 50. Mal.

Auf Einladung der OBS hat zur Erinnerung ein Webtalk stattgefunden. Diskutiert wurde über den damaligen Stellenwert des Kongresses in Oberhausen und über einige Entwicklungen, die er angestoßen hat. Gefragt wurde aber auch nach seiner Relevanz für die aktuellen gewerkschafts- und gesellschaftspolitischen Transformationsprozesse.

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