Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sein Urteil und die Schlussfolgerung von Valentin Sagvosdkin, der in einer breit angelegten und tiefbohrenden OBS-Untersuchung die wirtschaftsjournalistische Ausbildung durchforstet hat, hätten kaum deutlicher ausfallen können. Der junge Nachwuchswissenschaftler von der Cusanus Hochschule für Gestaltung bilanziert seine Analysen: „Vermutlich ist angehenden Wirtschaftsjournalist*innen kaum bewusst, dass sie in ihrer Ausbildung in Deutschland kaum Fachwissen aus den Wirtschaftswissenschaften, sondern überwiegend eine neoklassische Monokultur vermittelt bekommen“. Und er ergänzt zuspitzend: „Eine Berichterstattung, die sich allein auf solche Expertise stützt, ist im besten Fall fachlich inadäquat, im schlechtesten Fall ist sie (unabsichtlich) politisch gefärbt.“
Zu welchen konkreten Defiziten diese wirtschaftsjournalistischen Leerstellen der Ausbildung führen können, konnten wir schon vor über 10 Jahren mit der OBS-Studie „Wirtschaftsjournalismus in der Krise“ zeigen. Ohne Zweifel hat sich im vergangenen Jahrzehnt aber auch einiges verändert – im Wirtschaftsjournalismus lassen sich positive Entwicklungen nicht von der Hand weisen. Dass immer wieder riesengroße Skandale, finanzpolitische Ungereimtheiten oder kriminelle Fälle (von Siemens und Panama Papers über Cum-Ex und Diesel-Betrug bis hin zu Wirecard) aufgedeckt werden konnten, ist einem investigativ recherchierenden und hartnäckig arbeitenden kritischen (Wirtschafts-) Journalismus zu verdanken.
Ein kleiner (aber für die persönliche Motivation und das redaktionelle Profil unschätzbarer) Baustein für Anerkennung, Wertschätzung und Unterstützung dieser Arbeiten können auch Journalisten-Preise sein, die unerschütterlichen Mut, intensive Recherchen und besondere Leistungen würdigen.
Wir loben seit nunmehr fast 20 Jahren unseren „Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus“ aus. Unsere Jury kann aus durchschnittlich mehr als 500 Bewerbungen Gewinner und Preisträgerinnen auswählen - und immer wieder glänzen dabei Beiträge, die sich kenntnisreich und investigativ mit Themen aus der Wirtschafts- und Finanzwelt profiliert haben (Alle PreisträgerInnen seit 2005).
Diese hohe Beteiligung, die große Wertschätzung, die unser Preis über Mediengrenzen hinweg erfährt, und die breite Anerkennung, die er genießt, unterstreichen, dass „Kritischer Journalismus“ hierzulande gefragt ist, engagierter Wirtschaftsjournalismus als Sauerstoff für die Demokratie wirkt und sein Wirken als „vierte Gewalt“ geschützt werden muss.
Wir freuen uns wieder über zahlreiche Bewerbungen in der diesjährigen Ausschreibung, die noch bis zum 30. Juni läuft, nehmen mit Elan und Zuversicht die nächsten Aufgaben in Angriff - und danken dafür, dass unsere Leser*innen unsere Arbeit schätzen, mit Interesse die Ergebnisse verfolgen und gelegentlich auch durch Spenden materiell unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Das OBS-Team
Frankfurt/Main, im Juni 2021