Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
zurzeit wird auf offener Bühne gestritten, wo jahrzehntelang Einstimmigkeit herrschte: Während die sogenannten Wirtschaftsweisen vordergründig uneinig über die Vereinbarkeit zwischen einem Aufsichtsratsmandat und der Mitgliedschaft im Sachverständigenrat sind, liegen die inhaltlichen Dissonanzen der Expert*innen nicht nur in der Frage der Schuldenbremse seit Wochen auf dem Tisch. Ein Dissens, der durchaus bemerkenswert ist. War das Amt der Wirtschaftsweisen doch bis in die jüngste Zeit fest in den Händen einer „wirtschaftsliberalen Glaubenskongregation“. So formuliert es das Autorenteam um den Politikwissenschaftler Dieter Plehwe (WZB) in unserem neuen Arbeitspapier, das in Kürze erscheint und schon jetzt vorbestellt werden kann.
In der detaillierten Untersuchung und innovativen Analyse zeichnet die Studie die Herausbildung einer marktliberalen Dominanz in der Zusammensetzung der wirtschafts- und finanzpolitischen Beratungsgremien der Bundesregierung nach und verdeutlicht ihre verheerenden Folgen. In den vergangenen 40 Jahren trat die Mehrheit der Mitglieder stets für eine rigorosere Sparpolitik, die Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie den weiteren Abbau des Sozialstaats ein.
Angesichts dieser Ergebnisse ist es ein kleiner Hoffnungsschimmer, wenn die wirtschaftspolitische Eintönigkeit, die über Jahrzehnte herrschte, derzeit aufbricht und sich Raum für Alternativen öffnet. Schließlich untergräbt das wirtschaftsliberale Dogma der Austerität die Grundlagen unserer Demokratie und kommt einem Konjunkturprogramm für Rechtsextreme gleich. Ein Befund, den kürzlich noch einmal eine Studie von Bonner Forscher*innen unterstrichen hat.
Viel mehr als ein kleiner Hoffnungsschimmer war es, dass seit Mitte Januar Millionen von Menschen auf die Straße gegangen sind, um gegen die rassistischen Deportationsfantasien der extremen Rechten und ihrer parlamentarischen Vertretung, der AfD, zu demonstrieren. Es war ein Zeichen, das Mut macht, in einem Superwahljahr, in dem für unsere Demokratie viel auf dem Spiel steht.
Dass ein Auslöser für die Demonstrationen die Recherchen und Berichterstattung von Correctiv war, zeigt noch einmal deutlich, wie unerlässlich investigativer Journalismus für unsere Demokratie ist. Das Medienhaus informierte die breite Öffentlichkeit über das Treffen finanzstarker Unternehmer, Neonazis und hochrangiger AfD-Politiker*innen. Ein Beispiel für kritischen und unabhängigen Journalismus, den wir als Otto Brenner Stiftung aktiv fördern. Bereits zum 20. Mal vergeben wir in diesem Herbst die Otto Brenner Preise für kritischen Journalismus – ein Jubiläum, auf das wir uns schon jetzt freuen und über das wir in den kommenden Wochen weiter informieren.
Zuvor steht der Startschuss für unsere Auszeichnung für behinderte Journalist*innen an, die wir zum zweiten Mal vergeben und mit der wir einen Beitrag für mehr Inklusion und Vielfalt in den Redaktionen leisten möchten. Ab dem 1. März können sich behinderte Journalist*innen mit Ihren journalistischen Arbeiten für eine der zwei Auszeichnungen bewerben. Außerdem vergibt unsere kompetente Jury zwei Recherchestipendien. Die Jurymitglieder Laura Lindemann, Christiane Link und Maja Weber - und auch wir - sind gespannt auf die Bewerbungen und Anträge!
Wie sich mehr Beteiligung im Betrieb positiv auf unsere Demokratie auswirkt, wie in Podcasts über Wirtschaft berichtet wird und welche innovativen Impulse ein „Klimacheck Konzerne“ für die Unternehmensberichterstattung gibt – das sind Schwerpunkte unserer neuen Publikationen aus den ersten Monaten des Jahres, über die wir unten informieren.
Wir danken für das Interesse an unserer Arbeit. Lassen Sie uns gemeinsam für eine kritische Wissenschaft und aufmerksame Öffentlichkeit streiten, laut und solidarisch gegen Rechtsextremismus zusammenstehen und uns für die Stärkung der Demokratie engagieren!
Das OBS-Team
Frankfurt/Main, im Februar 2024