Liebe Leser*innen,
der Klimawandel betrifft uns immer direkter und heftiger: In den vergangenen zwölf Monaten gab es in Deutschland so viel Regen wie noch nie seit dem Beginn der Aufzeichnung im Jahr 1881. Starkregen, Hochwasser und Überflutungen sind wie Hitzerekorde und Dürren nur zwei Seiten einer Medaille. Der Klimawandel führt schon jetzt zu Krisen und droht, in Zukunft noch zuzunehmen und in weiteren Katastrophen zu enden. Die drängenden Herausforderungen für einen besseren Umwelt-, Natur- und Katastrophenschutz betreffen dabei nicht nur die Politik. Auch die Medien sind gefragt; auf sie kommen weitere und große Aufgaben zu.
Aus Anlass des Jahrestages der Ahrtalflut Mitte Juli 2021 haben wir kürzlich erste Ergebnisse einer neuen Studie präsentiert, die explizit die Rolle der Medien im Katastrophenfall in den Blick nimmt. Das Autorinnenteam um Marlis Prinzing hat Betroffene der Flut genauso interviewt wie Journalist*innen, die über die Geschehnisse vor Ort berichteten. Die Studie zeigt die Bedeutung einer emphatischen Berichterstattung auf, formuliert Empfehlungen für mehr Krisenkompetenz in den Redaktionen und plädiert nachhaltig dafür, Redaktionen künftig besser in die behördlichen Abläufe im Katastrophenfall einzubinden. Die Printfassung des OBS-Arbeitshefts 114 kann schon (vor-) bestellt werden.
Eine zentrale Erwartung, die die interviewten Betroffenen in der Ahrtalregion an die Medien richteten, war eine kritische Berichterstattung über Missstände im Katastrophenfall. Ein Musterbeispiel solch journalistischer Arbeit ist die Reportage "Rette sich, wer kann", die die Jury unserer "Auszeichnung für behinderte Journalist*innen" in diesem Jahr gewürdigt hat. Preisträger Artin Madjidi und sein Team sprechen in der Reportage mit Angehörigen und Freunden von zwölf Bewohner*innen eines Heims für Menschen mit Behinderungen, die in der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 ums Leben gekommen sind. Die Reportage geht der Frage nach, wie sich der Katastrophenschutz auch für Menschen mit Behinderungen verändern muss. Ein Must-See!
Aktuell treibt nicht nur uns die zunehmende rechte Gewalt und die wachsende Polarisierung in den politischen Auseinandersetzungen um. Fast täglich wird über Angriffe und gewalttätige Konflikte berichtet. Für Sachsen haben Thomas Laux und Teresa Lindenauer im OBS-Arbeitspapier 68 dargelegt, wie sehr hiervon auch Aktive in der politischen Bildung betroffen sind. Doch anstatt die politische Bildung und die Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt endlich nachhaltig zu fördern, streitet die Ampelkoalition weiterhin über das Demokratiefördergesetz. Ein fatales Zeichen.
Speziell die Situation in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird uns in den kommenden Wochen und Monaten weiter beschäftigen – nicht nur wegen den dort anstehenden Landtagswahlen. Mit neuen Studien tragen wir zur kritischen Analyse der AfD bei und rücken dabei auch Fragen und Aspekte in den Mittelpunkt, die über die Betrachtung konkreter Wahlergebnisse hinausgehen. Auf unserer Jahrestagung im November diskutieren wir deshalb auch progressive Antworten auf den Ausgang der Landtagswahlen. Wir beschäftigen uns mit autoritären Dynamiken in der Gesellschaft und beleuchten auch Entwicklungen in der Arbeitswelt – mit Überlegungen, wie den Bedrohungszenarien dort begegnet werden kann. Anmeldungen sind ab Ende August möglich, über das Programm informieren wir weiter unten.
In diesen unruhigen Zeiten wünschen wir allen eine Sommerzeit, die auch Erholung ermöglicht und Zuversicht bringt.
Herzliche Grüße,
das OBS-Team
Frankfurt am Main, Mitte Juli 2024