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Otto Brenner Newsletter

02/2020 – 06. Mai 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

"Bernd Gäbler hat schier Übermenschliches auf sich genommen" – mit diesem fulminanten Einstieg machte Mitte April Willi Winkler seine SZ-LeserInnen auf ein aktuelles OBS-Diskussionspapier aufmerksam. Für "Armutszeugnis", so der Titel unserer Publikation, hatte der Autor über den Jahreswechsel über 100 Stunden sogenannte Doku-Serien von RTL II angeschaut – von "Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern" über "Hartz und herzlich" bis hin zu "Zahltag! Ein Koffer voller Chancen". "Im Tarnkleid des Mitgefühls", so Gäbler, "werden ein Extremismus des Elends gepflegt und besonders krasse Charaktere vor die Kamera gelockt". Angehörige der Unterschichten bekommen im "Unterschichtenfernsehen" ein Zerrbild von sich selbst präsentiert – und die übrige Gesellschaft ignoriert das weitgehend: sowohl die Armut selbst, die mitten im reichen Deutschland existiert, als auch die medialen Klischees, die über die Betroffenen verbreitet werden. Dieses kritische Resümee des Bielefelder Medienwissenschaftlers rief die Chefredakteurin von RTL II auf den Plan. Ihre Replik "Sozialdokus bei RTLzwei: Deshalb wollen wir, dass ihr das seht!", Ostermontag (!) über den Mediendienst DWDL veröffentlicht, fährt in 10 Behauptungen so ungefähr alles auf, was vermutlich jemals an Kritik an solchen Formaten geäußert worden ist.

Bemerkenswert aber ist, dass RTL II diesen Gastbeitrag als ihre Stellungnahme zum OBS-Diskussionspapier kommuniziert. Weil kein einziges Mal direkt auf das Papier Bezug genommen, keine einzige Stelle wörtlich zitiert wird und von einer direkten Auseinandersetzung keine Spur ist, entsteht der Eindruck, dass mit vorgefertigten Textbausteinen unspezifisch auf "alle KritikerInnen" und jedwede denkbare Kritik eingeschlagen werden soll. Wer die Einordnung des Themas in dem "Gäbler-Papier", die empirischen Befunde, die kritische Auseinandersetzung mit Alternativen oder die konkreten Forderungen zur Kenntnis genommen hat, wird die blutleere Replik enttäuscht zur Seite legen. Und selbst wenn man wie die RTL II-Chefredaktion der Auffassung ist, Armutszeugnis sei "ein getarntes Meinungsstück" könnte man sich ja doch einer produktiven Auseinandersetzung stellen. Autor und Stiftung laden weiterhin dazu ein und wissen es zu schätzen, dass einige Sender diesen Weg beschreiten wollen.

Wir danken für das Interesse an unserer Arbeit, die wie bei vielen anderen auch schon seit Wochen hauptsächlich aus dem Homeoffice erledigt wird. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung, auch finanzielle, und hoffen auf ein gesundes Wiedersehen in der Nach-Corona-Zeit. Bleiben Sie gesund!

Mit freundlichen Grüßen
Das OBS-Team

(Mai 2020)

Otto Brenner Preis zum 16. Mal ausgeschrieben

Die OBS schreibt auch 2020 ihren "Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus" aus. Seit dem 1. April und noch bis zum 30. Juni nehmen wir online Bewerbungen an. Der Preis wird in verschiedenen Kategorien vergeben. Es werden auch wieder 3 Recherche-Stipendien ausgelobt, Publikumsempfehlungen sind erwünscht. Insgesamt ist der Preis mit 47.000 € dotiert. Die Preisverleihung soll am 17. November in Berlin stattfinden.

Wie das Fernsehen die Unterschichten vorführt!

Medienwissenschaftler Bernd Gäbler hat mehr als hundert Stunden RTL II geschaut und Sendungen wie "Hartz und herzlich" und "Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern?" unter die Lupe genommen. Aber auch Formate von RTL wie "Zahltag! Ein Koffer voller Chancen" und Berichte von ARD und ZDF, in denen Armut thematisiert wird, werden beschrieben und bewertet. "Armutszeugnis", so der Titel des OBS-Diskussionspapieres, will u.a. einen Anstoß geben, über adäquatere Formen der medialen Repräsentation von Armut betroffener Menschen nachzudenken.

Autor und Stiftung rufen JournalistInnen- und Sozialverbände auf, gemeinsam mit den Betroffenen einen "Leitfaden für respektvolle Armutsberichterstattung" zu erstellen.

Zum Vorbestellen: OBS-Studie "Nachrichten mit Perspektive"

Redaktionen und JournalistInnen in Deutschland versuchen, auch in Krisenzeiten eine problemfixierte Berichterstattung mit konstruktiven Ansätzen zu ergänzen. Sie sehen darin eine Chance, "den Journalismus" nachhaltig zu verändern, so das Fazit von "Nachrichten mit Perspektive". In der Studie werden Konzepte konstruktiver und lösungsorientierter Berichterstattung vorgestellt und erste praktische Umsetzungen in Deutschland analysiert. Mit Berichten aus der Praxis, intensiven Interviews mit ExpertInnen und einem breiten Serviceteil ist "Nachrichten mit Perspektive" mehr als eine Einführung für KritikerInnen wie ProtagonistInnen der Konzepte. Die OBS-Publikation ist auch interessant für den journalistischen Alltag und eignet sich zudem für Qualifizierungsangebote in der Aus- und Weiterbildung.

Leif Kramp/Stephan Weichert: Nachrichten mit Perspektive – Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland; OBS-Arbeitsheft 101; Frankfurt/M., Mai 2020

OBS/SNL: Arbeitsmarktprojekte in den neuen Bundesländern

Die "Stiftung zur Förderung arbeitsmarktpolitischer Vorhaben in den neuen Bundesländern" ist eine nicht rechtsfähige Stiftung in Verwaltung der Otto Brenner Stiftung (OBS). Seit mehr als 10 Jahren unterstützt die "Stiftung neue Länder" (SNL) u.a. konkrete Arbeitsmarktprojekte. Dabei kann es z.B. um die Reintegration von Langzeitarbeitslosen auf den 1. Arbeitsmarkt gehen oder etwa um aktive Unterstützung für Jugendliche, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Die Stiftung kann auch von ihr finanzierte Projekte wissenschaftlich begleiten lassen.

Über Satzungszwecke, das Antragsverfahren, bisher geförderte und laufende Projekte der SNL informieren wir unter www.otto-brenner-stiftung.de/stiftung-neue-laender-snl/. ​​​​​​​

Transformation in der Auto- und Zulieferindustrie

Batterierecycling und Zukunft der Lausitz

Kooperationen, Termine, Tipps und Links