Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
Demokratien – das wissen wir schon länger – drohen nicht nur von außen Gefahren, die ihre Existenz in Frage stellen und bis zu ihrer Zerstörung führen können. Autokrat*innen und andere Anti-Demokrat*innen, dies zeigen unter anderem die Vorgänge und Entwicklungen in Polen unter der PiS-Regierung oder in Ungarn unter Orban, versuchen, mit Änderungen im Rechtssystem und Eingriffen in das Informations- und Mediensystem innenpolitische Gegner*innen an den Rand zu drängen. Ihr Ziel ist es, ihre Macht auf Dauer zu zementieren und demokratische Perspektiven auszuschalten.
Deuten wir die Entwicklungen der vergangenen Monate und Wochen richtig, kann eine weitere Bedrohung von rechts nicht ausgeschlossen werden. Haben die Tiefenbohrungen der Leipziger Autoritarismus-Studien seit Jahren schon vor den Folgen einer politischen Radikalisierung, sozialen Polarisierung und Verrohrung der medialen Diskurse gewarnt, müssen wir jetzt feststellen, dass diese Befürchtungen inzwischen Realität in Deutschland geworden sind.
Dass Politiker*innen aller Parteien und auf allen Ebenen in der Ausübung ihrer Ämter mit Feindseligkeiten konfrontiert sind, erinnert manche Betrachter*innen an Zustände in der Weimarer Republik. Nun sollte man bei historischen Vergleichen immer Vorsicht walten lassen, aber die verbalen Entgleisungen und körperlichen Attacken, die die anstehenden Wahlkämpfe zu prägen scheinen, können von keinen Demokrat*innen, die sich um die Zukunft sorgen, länger ignoriert werden. Demokratien, das muss wieder ins Bewusstsein der Zivilgesellschaft rücken, werden auch von innen ausgehöhlt und zunehmend bedroht.
Wenn politisch aktive Personen angegriffen, etablierte Entscheidungsprozesse ins Lächerliche gezogen und Institutionen der wehrhaften Demokratie delegitimiert werden, ist nicht nur eine Reaktion des Rechtsstaates erforderlich, sondern auch ein Aufstand der Anständigen notwendig. Die zivilgesellschaftlichen Demonstrationen nach den „Potsdam“-Recherchen der Medienplattform Correctiv setzten zu Beginn des Jahres ein wichtiges Zeichen, das aufgegriffen werden muss. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis führt dies fort und ruft aktuell dazu auf, Rechtsextremismus zu stoppen und die Demokratie zu verteidigen.
Die OBS bereitet in diesem Sinne auch schon jetzt die kommende Jahrestagung im November vor. Wenn Europa im Juni gewählt hat, die Kommunalwahlen gelaufen sind und im September auch Landtagswahlen in drei Bundesländern stattgefunden haben, beleuchten wir die politische Rechtsentwicklung und setzen uns intensiv mit der Bedrohung der Demokratie in Deutschland auseinander. Autor*innen der OBS stellen neue Forschungsergebnisse vor und diskutieren mit Akteur*innen aus Zivilgesellschaft und Gewerkschaften, welche Ansatzpunkte für Gegenwehr sich finden lassen. Im nächsten Newsletter der OBS werden wir über die Programmplanungen ausführlicher informieren.
Unser Newsletter stellt unsere neuesten Publikationen vor: Letzte Woche ist unser Arbeitspapier zu klimaschädlichen Werbespots im Fernsehen und auf YouTube erschienen. Nach dem kommenden Pfingstwochenende erscheint eine Studie, die sich mit der „Wirtschaftsberichterstattung in ARD & ZDF“ beschäftigt und schon jetzt vorbestellt werden kann. Publikationen aus 2024, die noch lieferbar sind, teasern wir kurz an und laden zur Bestellung ein.
Seit Ende April ist die Ausschreibung unserer „Auszeichnung für behinderte Journalist*innen“ beendet. Auch in diesem Jahr haben uns zahlreiche Bewerbungen und Anträge auf Stipendien erreicht. Die Jury der Auszeichnung kommt in den nächsten Wochen zusammen um die Entscheidungen 2024 zu treffen. Der Preis gewinnt an Beachtung und Akzeptanz, genießt viel Zustimmung und wird für seine Ausrichtung gelobt. Die Anerkennung, die diese Auszeichnung schon nach zwei Jahren erfährt, freut uns sehr. Das erste Ergebnis eines Stipendiums von Leonie Schüler aus dem Jahr 2023 ist auch soeben erschienen: Es geht um sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen.
Aktuell läuft die Ausschreibung unseres renommierten Otto Brenner Preises für kritischen Journalismus. Die Attraktivität des OBS-Journalistenpreises ist ungebrochen, wieder rechnen wir mit mehreren hundert Bewerbungen. Viel Arbeit liegt vor uns, aber wir freuen uns auch schon jetzt, im November den begehrten Preis zum 20. Mal verleihen zu dürfen.
Wir danken für das Interesse an unserer Arbeit. Lassen Sie uns gemeinsam für eine kritische Wissenschaft und aufmerksame Öffentlichkeit streiten, sichtbar und solidarisch gegen rechts zusammenstehen und uns für die nachhaltige Stärkung der liberalen Demokratie engagieren!
Herzliche Grüße von Jupp Legrand & dem Team der Otto Brenner Stiftung