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Pressemitteilung: Otto Brenner Stiftung prämiert zum 18. Mal herausragenden Journalismus

Ronen Steinke (SZ) wird für sein Buch „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“ mit dem 1. Preis ausgezeichnet +++ Tilman Spengler wird für sein Lebenswerk geehrt und mit dem „Spezial“-Preis (Preis der Jury) gewürdigt +++ Auch Newcomer-, Medienprojektpreis und Recherche-Stipendien werden wieder vergeben +++ Die Preisverleihung findet am 26. November in Frankfurt am Main für geladene Gäste im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung zu „50 Jahre Otto Brenner Stiftung“ statt +++ Bundestagspräsidentin Bärbel Bas würdigt die Geschichte und die Arbeit der Stiftung mit einer Festansprache +++ Livestream der Festveranstaltung ab 13.30 Uhr und der Preisverleihung ab 17:00 Uhr über die Webseiten der OBS +++

PreisträgerInnen 2022
Zur Übersicht der Gewinnerinnen und Gewinner 2022

Frankfurt, den 14.10.2022 Den renommierten und mit 10.000 Euro dotierten 1. Preis für kritischen Journalismus der Otto Brenner Stiftung erhält in diesem Jahr Ronen Steinke von der Süddeutschen Zeitung (SZ) für sein Buch „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“, erschienen im Berlin Verlag.
 
Strafverfahren in Millionenhöhe gegen Wirtschaftsbosse führen zu eher milden Geldstrafen, Prozesse wegen wiederholten Fahrens ohne Fahrschein hingegen werden streng geahndet und enden teilweise sogar im Gefängnis. Das Versprechen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, wird nicht erfüllt: Die einen kommen mit nachsichtigen Strafen davon, andere bekommen die volle Härte des Gesetzes zu spüren. Ronen Steinke zeigt in seiner akribischen Analyse nach Einschätzung der Jury „eindringlich, wie es zu ungerechten Behandlungen von Beschuldigten in Prozessen kommt“. Der Autor interviewt Expert:innen, beobachtet Gerichtsprozesse, wertet statistische Daten aus und belegt mit Beispielen die differenzierte Analyse komplexer Zusammenhänge. Der promovierte Jurist Steinke seziert die Gesetzeslage, erläutert die Praxis der Rechtsprechung und stellt Forderungen für konkretes Handeln auf. Die Kombination von pointierter Analyse, anschaulichen Beispielen und praxisnahen Verbesserungsvorschlägen verleiht nach Auffassung der Jury dem „Werk seinen besonderen journalistischen Wert“.

1. Preis 2022

Der 2. Preis (5.000 Euro) geht an Martina Rathke für ihre mehrteilige Reportage „Wie Sklaven gefühlt“ (Ostsee-Zeitung).
 
Outgesourct, ausgegrenzt und ausgebeutet sind die Amazon-Fahrer:innen, deren Arbeitsbedingungen Martina Rathke bei einem Subunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern recherchiert hat. Das Ergebnis ihrer Reportage zeigt, dass der Rundum-Sorglos-Service, den der Online-Riese für seine Kunden:innen bereitstellt, vor allem auf Kosten von bulgarischen und rumänischen Arbeitsmigrant:innen geht, „die sich gegen die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen kaum zu wehren wissen“. Die Jury überzeugte „die Tiefe der Recherche und die Hartnäckigkeit“, mit der Martina Rathke das Thema in mehreren Artikeln weiterverfolgte. Aus Sicht der Jury gab sie „den Fahrerinnen und Fahrern eine Stimme und brachte Amazon dazu, die Arbeitsbedingungen beim Subunternehmen zu überprüfen“.

Benedict Wermter und Tom Costello werden für ihre ARD-Fernsehdokumentation „Die Recyclinglüge“ mit dem 3. Preis (Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro) ausgezeichnet.
 
„Die Recyclinglüge“ sorgt für eine große Ent-Täuschung. Enttäuscht sind nach Auffassung der Jury alle, „die als Verbraucher glaubten, alles sei gut, wenn wir unseren Plastikmüll nur in den gelben Sack stecken“. Mit einer großangelegten internationalen Recherche beweisen Benedict Wermter und Tom Costello, „dass in der ach so sauberen Entsorgungsindustrie Lug und Trug an der Tagesordnung sind“. Bei ihrer Spurensuche arbeiten sich die beiden Filmemacher akribisch und radikal auch am Greenwashing von Ölkonzernen, Chemiefirmen und der Lebensmittelindustrie ab, die mit den Begriffen Recycling und Recyclingfähigkeit die Verbraucher:innen täuschen. Sie stellen den Gangstern der Müllmafia nach, sprechen mit den Leidtragenden des Mülltourismus, und sie konfrontieren die Verantwortlichen mit ihren Recyclinglügen. Auf Basis konsequenter und umfassender Recherchen wird aus diesem Film „eine Kritik der verschmutzenden Globalisierung“ – an den man sich nach Einschätzung der Jury, „im Alltag immer wieder erinnert, wenn es etwas wegzuwerfen gibt“.

Mit dem „Spezial“-Preis (Preis der Jury) dotiert mit 10.000 Euro, wird der Publizist, Journalist, Schriftsteller und Wissenschaftler Tilman Spengler für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
 
Der promovierte Sinologe Tilman Spengler hat schon früh für Rundfunk, Fernsehen und Printmedien aus und über China berichtet. Bei der Gründung der Wochenzeitschrift ‚Die Woche’ wurde er deren Feuilletonchef. Dreißig Jahre lang war er Mitherausgeber der Zeitschrift ‚Kursbuch’, in der er ökonomische, ästhetische, ökologische und andere Mängel der Zeit zur Debatte stellte. Sein öffentliches Eintreten für den chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo machte ihn zur persona non grata in der Volksrepublik. Heute ist er politischer und kulturkritischer Kommentator für diverse Medien. Außerdem hat er nach Auffassung der Jury auch „wunderbare Erzählungen und Romane“ wie ‚Lenins Hirn’ geschrieben, ein in 22 Sprachen übersetztes Werk über Diktatur und Genialität, das in seinem aktuellen Roman ‚Made in China’ eine ebenbürtige Entsprechung gefunden hat. Auch Spenglers Folge über Karl Kraus und ‚Die Fackel‘ aus seiner 101-teiligen Fernseh-Reihe ‚Klassiker der Weltliteratur’ hält die Jury für „genialisch gut“. Mit ihrem Preis zeichnet die Jury Spenglers „Sprachkraft, sein politisches Gespür, seine Urteilskraft – und auch seine Rhetorik aus“.

Den Newcomerpreis, dotiert mit 2.000 Euro, erhält David Gutensohn für seine Bestandsaufnahme und Denkanstöße im Buch „Pflege in der Krise. Applaus ist nicht genug!“ (Atrium Verlag).
 
David Gutensohn ist Sohn zweier Pflegefachkräfte und hat eine Vorstellung davon, wie das Pflegesystem sein könnte. „In jungen Jahren“, so der Autor, „wusste ich nichts über das System, nur dass altern in einem Seniorenheim ziemlich schön sein kann. Ich hatte 18 Opas und Omas, spielte mittags nach dem Kindergarten mit ihnen Mau-Mau“. Gutensohn wurde Journalist, ist heute Redakteur bei ZEIT Online und hat sich auf das Thema Pflege spezialisiert. Aus Sicht der Jury schildert er nicht nur fachkundig die verheerenden Missstände in deutschen Krankenhäusern und Pflegeheimen, sondern „er zeigt auch höchst konstruktiv Wege aus der Krise“. Eine Arbeit, die nach Auffassung der Jury, heute wichtiger denn je ist: „Denn der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben das durch Corona kurzzeitig endlich prominent behandelte Desaster namens deutsches Gesundheits- und Pflegesystem wieder verdrängt“. Aber Gutensohn bleibt dran.

Im Wettbewerb um die Brenner-Preise zeichnet die Jury auch innovative und wegweisende Medienprojekte mit 2.000 Euro aus. In diesem Jahr geht der Medienprojektpreis an ein Team um Robert Bongen, Daniel Moßbrucker und Jörg Diehl.
 
Das Spiegel- und NDR-Team (Panorama/STRG_F) hat mit seiner Recherche zum Löschen von Fotos und Videos von Kindesmissbrauch im Internet nach Auffassung der Jury „Großartiges geleistet“: Dank seiner Initiative sind Unmengen an schrecklichen Aufnahmen für die Konsumenten dieser schlimmsten Perversion erst einmal nicht mehr zugänglich. Das Team hat zugleich vorbildlich aufgezeigt, wie die Behörden mit minimalem Ressourceneinsatz und Ausdauer diesen Verbrechen gegen Kinder einen Teil ihrer technischen Basis entziehen könnten. Wenn sie nur aktiv würden. Die Jury kommt zu dem Ergebnis: „Dass es dafür Journalisten:innen braucht, ist ein Armutszeugnis für Deutschlands Polizeibehörden, aber auch ein grandioser Ausweis dafür, was kritischer Journalismus zu erreichen vermag“.

Die Jury hat im Rahmen ihrer diesjährigen Sitzung Ende September auch wieder drei Recherche-Stipendien vergeben. Jenny Genzmer und Thomas Reintjes gehen neuen Entwicklungen und Technologien im Internet nach und fragen, was das „Web3“ für die Demokratie bedeutet. Die freie Journalistin Johanna Weinhold befasst sich mit der Sterbehilfe und analysiert den Stellenwert des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in den Parteien und bei den aktuellen Beratungen im Bundestag. Tim Kalvelage begibt sich für mehrere Wochen auf hohe See und geht dort der Frage nach, inwiefern der Tiefseebergbau einen noch unbekannten Lebensraum bedroht.

Die Preisverleihung findet am 26. November im main_forum der IG Metall in Frankfurt am Main statt. Sie wird verbunden mit der Festveranstaltung zum 50. Geburtstag der Otto Brenner Stiftung. Otto Brenner, der damalige 1. Vorsitzende der IG Metall, verstarb am 15. April 1972. Schon im Sommer 1972 wurde eine Stiftung seines Namens auf den Weg gebracht. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas würdigt die Geschichte der Stiftung und die Arbeit der OBS. Beide Veranstaltungen, das Fest zum 50-jährigen Jubiläum und die Verleihung der Otto Brenner Preise, finden für geladene Gäste statt. Der Festakt kann ab 13.30 Uhr, die Preisverleihung ab 17.00 Uhr im Livestream über die Internetseiten der Stiftung verfolgt werden.
 
Die Otto Brenner Stiftung verleiht 2022 den Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus zum 18. Mal. Prämiert werden journalistische Arbeiten, die das Motto der Ausschreibung „Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten“ beispielhaft umgesetzt haben. Aus knapp 500 Bewerbungen wählte die Jury am 21. September in Frankfurt am Main die Preisträger:innen in fünf Kategorien aus. Das Preisgeld beträgt auch 2022 insgesamt 47.000 Euro.
 
Jurymitglieder 2022 sind die freie Journalistin und Medienexpertin Brigitte Baetz (u.a. Deutschlandfunk), Korrespondentin Nicole Diekmann (ZDF-Hauptstadtstudio Berlin), Prof. Dr. Volker 
Lilienthal (Universität Hamburg, Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Qualitätsjournalismus), Henriette Löwisch (Leiterin der Deutschen Journalistenschule in München, DJS), Prof. Dr. 
Heribert Prantl (Kolumnist und Autor, Süddeutsche Zeitung), Harald Schumann (Mitbegründer Investigate Europe, Redakteur für besondere Aufgaben Der Tagesspiegel) sowie Jörg Hofmann (1. Vorsitzender der IG Metall und OBS-Verwaltungsratsvorsitzender).

Informationen zu den prämierten Beiträgen, zu den PreisträgerInnen und den Mitgliedern der Jury finden Sie unter www.otto-brenner-preis.de.

Kontakt:

Otto Brenner Stiftung
Geschäftsführer
Jupp Legrand
Telefon: 069 - 6693 2810
E-Mail: info(at)otto-brenner-stiftung.de

 

Informationen zur unabhängigen Preis-Jury

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