Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Corona-Pandemie und ihre Folgen für die weltweite Wirtschaftsentwicklung, den globalen Handel, die Beziehungen zwischen den Staaten und für innergesellschaftliche Verwerfungen halten nach wie vor die Welt in Atem. Während in Deutschland das Ausmaß der Krise, die Ausbreitung der Pandemie und auch die Zahl der Infizierten und Gestorbenen (bisher) erfolgreich eingedämmt werden konnten, bleibt die Corona-Krise in anderen Regionen (Osteuropa, Afrika, Teile Asiens, Nord- und Südamerika) weiterhin eine große und allgegenwärtige Bedrohung.
Zu Beginn der weitreichenden staatlichen Eingriffe, die seit Mitte März die Ausbreitung des Virus reduzieren und das Gesundheitssystem vor einer Überforderung schützen sollten, war parallel zur „Stunde der Exekutive“ zu beobachten, dass z.B. die AfD als größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag kaum öffentlich präsent und aus dem Blickfeld vieler BeobachterInnen verschwunden war. Inzwischen zeigen die vielen Eingriffe und zahlreichen Verbote die erwarteten Folgen und erwünschten Resultate mit Blick auf die Eindämmung des Virus – zeitgleich regt sich aber auch Protest gegen die Corona-Politik der staatlichen Organe. Im Zusammenhang etwa mit den „Hygiene-Demos“ und anderen Protestveranstaltungen ist auch wieder zu beobachten, wie rechtspopulistische Akteure versuchen, die Sorgen, Bedenken und Nachfragen von Teilen der Bevölkerung für ihre antidemokratischen oder rassistischen Deutungen zu instrumentalisieren und für ihre Politik der zugespitzten Polarisierung zu missbrauchen. Dieses zumindest teilweise erfolgreiche Vorgehen der rechten Akteure aktualisiert auch wieder die Frage, ob die Zivilgesellschaft ein Hort der Demokratie und immun gegen rechte Verführungen ist – oder ein Einfallstor für rechts? Eine grundsätzliche Frage, der die OBS jetzt in einer breit angelegten, empirischen Pionierarbeit nachgegangen ist.
Auf der Basis detaillierter Dokumentenanalysen und zahlreicher Interviews werden von einem Team um den Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schroeder erstmals rechtspopulistische Interventionen und zivilgesellschaftliche Reaktionen analysiert. Am Beispiel von Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen sowie dem organisierten Sport- und Kulturbereich werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Interventionen und Reaktionen systematisiert. Die Studie zeigt, dass rechtspopulistische Akteure um die Bedeutung der organisierten Zivilgesellschaft wissen und sie darauf abzielen, bestehende Konflikte innerhalb der untersuchten Bereiche zu politisieren, um sie zu verstärken und thematische Anknüpfungspunkte für ihre Politik zu verankern.
Wir wollen mit der Studie weitere Debatten um einen angemessenen Umgang mit dem Rechtspopulismus in seinen unterschiedlichen Facetten, auch innerhalb der betroffenen Organisationen, anstoßen. Wie die Proteste der letzten Wochen schon angedeutet haben, wird die Corona-Pandemie auch in der Zivilgesellschaft Spuren hinterlassen, alte Streitpunkte verstärken und neue Konflikte anheizen – und die rechten Akteure werden versuchen, dies für eine neue Welle von Aufmerksamkeit zu nutzen. Es muss deshalb, wie es im Vorwort der Studie heißt, „darum gehen, die organisierte Zivilgesellschaft in ihrer positiven Rolle als Hort der Demokratie zu stärken, damit sie ihren unverzichtbaren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt auch künftig leisten kann.“
Wir danken für das Interesse an unserer Arbeit, die – wie bei vielen anderen – langsam wieder aus dem Büro erledigt wird. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung, auch finanzielle, und hoffen auf ein gesundes Wiedersehen in der Nach-Corona-Zeit.
Mit freundlichen Grüßen
Das OBS-Team
(Juni 2020)