Für die schwierige Lage der Auslandsberichterstattung identifiziert das Diskussionspapier fünf Entwicklungen, die durch Interviews und eine Umfrage unter deutschen Auslandskorrespondent*innen herausgearbeitet wurden: Die Zahl der Korrespondent*innen hat in den letzten Jahren ebenso wie die der Auslandsseiten und Sendeplätze – vor allem in Print- und Onlinemedien – abgenommen. Dazu kommt das Schrumpfen von Budgets und Redaktionen. Eine besondere Herausforderung ist auch der weltweite Anstieg autoritärer Systeme, die durch Repression und zunehmende Propaganda die Arbeit von Journalist*innen erheblich erschweren. Letzteres, so das Fazit des Papiers, wird ohne das Korrektiv der Korrespondent*innen vor Ort ein immer wichtigerer Grund für das verzerrte Bild der Welt in den deutschen Medien.
Die Folgen dieser Verzerrung zeigen sich in der jüngsten Vergangenheit deutlich: „Als Afghanistan im Sommer 2021 nach dem endgültigen Abzug westlicher Militärtruppen innerhalb von wenigen Wochen vollständig in die Hände der Taliban fiel, war die Überraschung in der Öffentlichkeit groß“, konstatiert Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. Dies habe auch damit zu tun, dass die Berichterstattung auf wenige städtische Zentren, vor allem Kabul, und die Standorte der Bundeswehr konzentriert gewesen sei. „Hintergründige Berichte aus der Fläche Afghanistans, wo die Taliban in Teilen Rückhalt aus der Bevölkerung erhalten hatten, gab es kaum, auch weil die meisten Berichte aus der Ferne angefertigt wurden." Das Diskussionspapier zeige zudem, so Legrand weiter, dass Afghanistan kein Einzelfall sei.
Die Stärkung von Netzwerken freier Korrespondent*innen und der Erhalt der Berichtsplätze werden im Diskussionspapier als Maßnahmen skizziert, die den weißen Flecken in der Auslandsberichterstattung kurzfristig entgegenwirken können. Der Autor fordert darüber hinaus ein stärkeres Engagement der Bundesrepublik, wenn Journalist*innen im Ausland bedroht werden. Auch hält er eine Diskussion über die Chancen und Risiken einer öffentlichen Förderung der Auslandsberichterstattung für notwendig. „Umfassende und hintergründige Berichte aus allen Teilen der Welt sind nicht nur für die Bundesregierung, staatliche Institutionen und wirtschaftliche Akteure gleichermaßen unentbehrlich“, pflichtet Jupp Legrand bei, „sie sind auch die Basis für demokratische Entscheidungen über das wachsende internationale Engagement Deutschlands. Eine kritische Öffentlichkeit braucht den unverstellten Blick auf die Welt.“