Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, sieht deshalb Journalist*innen in der Pflicht, „stärker auf die Vermittlung von Grundwissen über ihre Arbeitsweisen und die Funktion von Berichterstattung zu setzen“. Dazu gehöre auch „öffentlich über widersprüchliche Erwartungen und den jeweiligen Umgang damit zu reflektieren“, so Legrand.
Deutlich wird in der Untersuchung, dass sich Betroffene wie Helfende vor Ort Mitgefühl erhofften, in der direkten Interaktion mit Journalist*innen sowie in der Berichterstattung. Sie artikulieren den expliziten Anspruch, Emotionen mehr Raum in der Medienberichterstattung zu geben. „Emotionen öffentlich zu teilen, kann die erlebte Empathie stärken. Unsere Studie zeigt, dass dies in sensibler, nicht-voyeuristischer Form in der Berichterstattung weiter aufgewertet werden könnte“, so Studienautorin Mira Keßler (Ruhr-Universität Bochum).
Neben divergierenden Erwartungen an die journalistische Arbeit konstatieren die Wissenschaftlerinnen auch große Übereinstimmungen zwischen Betroffenen, Helfenden und Journalist*innen. Dass Medien einerseits Positives beschreiben, konstruktiv berichten und Lösungen aufzeigen sollten, traf auf Zustimmung. Ebenso wurde die Erwartung artikuliert, dass die Berichterstattung nicht ausschließlich politischen Anlässen folgen darf, sondern sich als Kritikerin von Schieflagen profilieren muss. „Mitgefühl ohne Voyeurismus zeigen, positive Geschichten mitten im Flut-Chaos entdecken, Fehlleistungen, die die Krise noch schlimmer machten, kritisieren: Die Erwartungen an den Journalismus sind hoch. Vieles wurde eingelöst“, resümiert Studienautorin Melanie Radue (Universität Passau) und verweist auf einen in der Untersuchung ergänzend vorgenommenen kursorischen Abgleich von Wahrnehmungen der Interviewten mit der tatsächlichen Berichterstattung.
Für die Zukunft gilt es, schlussfolgern die Forscherinnen, sich auch medial besser auf Krisenberichterstattung einzustellen, unter anderem durch eine bessere Zusammenarbeit mit Behörden bei Katastrophenlagen. „Die Flut im Ahrtal 2021 erreichte auch deshalb so katastrophale Ausmaße, weil Medien unzureichend in die Krisenkommunikation eingebunden wurden. Das muss sich in Zukunft ändern“, so Marlis Prinzing.