+++ OBS-Studie kritisiert Einseitigkeit der Finanzbildungsinitiative der Bundesregierung +++ FDP nutzt die Initiative, um die Investitionsbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen +++ Die „Finanzbildungsplattform“ des BMF enthält kaum Bildungsmaterialien +++ Vielfältige Perspektiven und zivilgesellschaftliche Expertise bleiben außen vor +++
Frankfurt am Main, 11. Oktober 2024. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 7. Oktober einen Referentenentwurf veröffentlicht, dem zu Folge die „Initiative Finanzielle Bildung“ gesetzlich verankert und mit neun Millionen Euro jährlich ausgestattet werden soll. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte diese Initiative im Frühjahr 2023 gemeinsam mit seiner Parteikollegin, Bundesbildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, ins Leben gerufen. Die Initiative sollte in Zusammenarbeit mit der OECD eine nationale Finanzbildungsstrategie entwickeln und Impulse zur Stärkung der finanziellen Bildung in Deutschland geben. In Kooperation mit Attac Deutschland hat die Otto Brenner Stiftung den Erziehungswissenschaftler Professor Thomas Höhne (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) beauftragt, die Initiative der Bundesregierung zu untersuchen. Sein Fazit: Die Initiative wird dem Anspruch, unabhängige finanzielle Bildung zu fördern, nicht gerecht. Das eigentliche Anliegen der FDP-dominierten Initiative scheint vielmehr ein parteipolitisches zu sein – es geht darum, möglichst viele Menschen zum Investieren an den Finanzmärkten zu bewegen.
Im Zentrum der „Initiative Finanzielle Bildung“ steht die sogenannte „Finanzbildungsplattform“ mitgeldundverstand.de. Dort sollen bestehende Angebote aus dem Bereich der finanziellen Bildung gebündelt und ein leichterer Zugang zu diesen ermöglicht werden. Doch die Studie zeigt: Nur acht Prozent der insgesamt 449 zur Verfügung gestellten Angebote lassen sich als Bildungsmaterial qualifizieren. Hauptsächlich werden schon bestehende staatliche Informationsangebote ohne didaktisches Konzept präsentiert. Zudem werden zum Teil einseitige politische Positionen als Bildungsmaterial deklariert, wie die Analyse eines Videos zur Schuldenbremse zeigt.
Der Autor der Studie kommt zu dem zentralen Befund, dass die „Initiative Finanzielle Bildung“ eindeutig die parteipolitische Handschrift der FDP trägt. So wird die Initiative Top-down durch das Bundesfinanzministerium gesteuert. Auch inhaltlich bestehen deutliche Überschneidungen mit der wirtschaftspolitischen Agenda der FDP (Stichworte: Aktienrente, Generationenkapital, Altersvorsorgedepot). Besonders problematisch: Die Initiative ignoriert die Existenz seit Jahrzehnten gewachsener zivilgesellschaftlicher Strukturen und ihrer Expertisen im Bereich der finanziellen Bildung. Institutionen wie die Verbraucherzentralen oder Schuldnerberatungen, die über ein breites Erfahrungswissen und umfassende Bildungsangebote verfügen, werden zugunsten kommerzieller und lobbyistischer Akteure in den Hintergrund gerückt.
Nach Aussagen der federführenden Ministerien sollen mit der Initiative der Bundesregierung insbesondere armutsbetroffene „vulnerable Gruppen“ erreicht werden. Mit der Unterstellung, ihnen fehle entscheidendes Wissen über Finanzmärkte und Anlageformen, wird die Notwendigkeit verstärkter Finanzbildung weiter legitimiert, so Höhne. Gleichzeitig bleiben aber die gesellschaftlichen Bedingungen prekärer Lebenssituationen als strukturelles politisches Problem ausgeblendet. Menschen, die nicht investieren können, wird die Verantwortung für ihre Situation tendenziell selbst zugeschrieben.