Frankfurt, den 02. Dezember 2021. Die AfD bleibt trotz verstärkter „sozialer“ Rhetorik hinsichtlich ihrer allgemeinen wirtschafts- und sozialpolitischen Ausrichtung und ihrer konkreten parlamentarischen Arbeit im Bundestag fest in neo- und ordoliberalen Mustern verhaftet. Das ist das zentrale Ergebnis der heute von der Otto Brenner Stiftung veröffentlichten Studie „Soziale Rhetorik, neoliberale Praxis“. Ausgewertet wurden alle Anträge, Gesetzesentwürfe und Redebeiträge der AfD-Fraktion im Bundestag zu wirtschafts- und sozialpolitischen Themen zwischen 2017 und Ende 2020. Die „Analyse der Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD“, so der Untertitel der Untersuchung, umfasst darüber hinaus programmatische Texte der Partei (Grundsatz- und Wahlprogramme) und ihre Aktivitäten in den entsprechenden Fachausschüssen des Parlamentes. „Da die AfD in der Öffentlichkeit vornehmlich als rechtspopulistische Partei wahrgenommen wird, war es überraschend zu sehen, dass sich im Bereich Wirtschaft und Soziales beinahe hinter jedem Argument und jeder Forderung neoliberales Denken verbirgt“, sagt Studienautor Dr. Stephan Pühringer, der die Studie zusammen mit einem engagierten Team am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (Johannes Kepler Universität Linz, Österreich) durchgeführt hat.
Die Forscher zeigen mittels diskursanalytischer Methoden, dass die AfD hinsichtlich ihrer wirtschafts-, handels- und energiepolitischen Ausrichtung und in ihrer Kritik an Euro und Europäischer Zentralbank nahezu ausschließlich auf die Vokabeln neo- und ordoliberaler Wirtschaftsschulen zurückgreift. Freier Handel, Konkurrenz, Entbürokratisierung und Wettbewerbsfähigkeit gelten den RechtspopulistInnen in parlamentarischen Anträgen und Reden als Lösungen fast aller Probleme, heißt es in der Studie. „Durchgängig betrachtet die AfD Marktmechanismen als einzige `natürliche Wirtschaftsform´, weshalb jegliche Formen staatlicher Maßnahmen und Regulierungen grundsätzlich skeptisch betrachtet werden“, bilanziert der Wirtschaftswissenschaftler Pühringer. Ausnahmen zeigen sich allerdings auf den Feldern der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik sowie in der Haltung der Partei zum Wohlfahrtsstaat. „Hier weicht die AfD mit ihren Vorschlägen und in ihrer Argumentation hin und wieder von ihrer strikt neoliberalen Ausrichtung ab“, so Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, „allerdings werden `soziale´ Forderungen, wie die nach guter Arbeit und höheren Löhnen, durch populistisch-rechtsradikale Gesellschaftsbilder überformt – etwa wenn Sozialleistungsansprüche dann nur `für Einheimische´ gelten sollen“. Selbst auf diesen „Kerngebieten“ rechtspopulistischer Sozialrhetorik bleibe die AfD jedoch in übergeordnete neoliberale Forderungen nach „Leistungsgerechtigkeit“ und „Eigenverantwortung“ verhaftet, so Legrand weiter.