+++ Journalist:innen nehmen die Transformation des Mediensystem als zusätzlichen Stress wahr +++ Zukunftssorgen bis hin zum Berufsausstieg wachsen +++ Publikumskritik wird von ihnen als teilweise zutreffend eingeschätzt +++ journalistischer Qualitätsverlust relativiert gesellschaftspolitische Bedeutung des Journalismus +++ Psychosoziale Belastungen erhöhen Risiko für schwere Erkrankungen +++ mangelnde Unterstützung wird beklagt +++ psychologisches Gesundheitsmanagement Tätigkeitsfeld für Interessenvertretungen +++
Digitaler Wandel, ökonomische Krise und medialer Vertrauensverlust als Herausforderungen der Transformation führen bei Journalist:innen zu noch größerem Stress in einem ohnehin schon durch hohe Beanspruchung gekennzeichneten Berufsleben. Gleichzeitig sehen Medienschaffende im Kontext der medialen und gesellschaftlichen Transformation mehrheitlich einen Qualitäts- und Bedeutungsverlust des eigenen Berufsstands. Dies zeigt die Studie „Arbeitsdruck – Anpassung – Ausstieg“, die die Otto Brenner Stiftung heute vorlegt.
Wie erleben Journalist*innen die Transformation des Mediensystems - als berufliche Profis und dahinter stehende Menschen? So lautet die zentrale Frage der Pilotstudie, die einen arbeits- und organisationspsychologischen Forschungsansatz mit medienwissenschaftlicher und -praktischer Perspektive verbindet. Die Heidelberger Professoren, Burkhard Schmidt, Rainer Nübel, Simon Mack und Daniel Rölle, interviewten zunächst 20 hauptberufliche Journalist:innen verschiedener Mediensegmente und überprüften die dadurch gewonnenen Erkenntnisse anschließend in einer Online-Befragung.
Laut der aktuellen OBS-Studie sagen rund 60 Prozent der befragten Journalist:innen, Einsparungen ihres Medienunternehmens hätten ihre persönliche Arbeitssituation verschlechtert. Die allermeisten Medienschaffenden bestätigen, dass ein Vertrauensverlust des Journalismus – häufig aufgrund des Vorwurfs der einseitigen Berichterstattung – als weitere Herausforderung des Wandels vorliege. Während in den qualitativen Interviews mehr als die Hälfte der Befragten die Publikumskritik für bedingt richtig hält und damit eine Mitverantwortung der Medien an der Vertrauenskrise konstatiert, weist in der Online-Befragung die Mehrheit dies von sich. Ein großer Teil der Journalist:innen insgesamt stellt jedoch fest, dass der Journalismus im Kontext des digitalen und gesellschaftlichen Wandels an Qualität (48 Prozent), Bedeutung (50 Prozent), Renommee (84 Prozent) und Attraktivität (66 Prozent) verloren hat.
„Die zentralen Herausforderungen der medialen Transformation lösen bei den Journalist:innen primär negative Gefühle aus“, resümiert das Autorenteam. Dies zeigten vor allem die Interviews: Neben Frustration und Unsicherheitsgefühlen bestehe bei vielen Sorge um die Jobsicherheit. In der Online-Befragung geben fast 60 Prozent aller Befragten, insbesondere jüngere Journalist:innen, an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten wiederholt an das Aufgeben ihres Berufs gedacht haben – 10 Prozent sogar einige Male in der Woche.
Mehrheitlich versuchen die Journalist:innen jedoch, so ein weiterer Befund der Autoren, den gravierenden beruflichen Herausforderungen sachorientiert zu begegnen – zum Beispiel in Form einer noch sorgfältigeren Recherche (59 Prozent).
Durch den Einsatz standardisierter und validierter psychometrischer Messinstrumente konnten in der Untersuchung deutliche Hinweise auf psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz festgestellt werden. Dies bezieht sich zum einen auf erhöhte Werte auf der Burnout-Skala „Mentale Erschöpfung“: Jeweils zwei Drittel der Online-Befragten geben an, sich „schon vor der Arbeit müde“ zu fühlen und dass die Belastungen durch die Arbeit „nicht zu ertragen“ seien, 40 Prozent sind arbeitsbedingt immer häufiger „emotional ausgelaugt“. Zum anderen ließen sich berufliche Gratifikationskrisen ermitteln – beispielsweise sehen nur rund 28 Prozent der Journalist:innen für sich angemessene Aufstiegschancen. Aus diesen Ergebnissen lässt sich nach Auffassung der verantwortlichen Projektmacher ein statistisch erhöhtes Gesundheitsrisiko für körperliche und psychische Folgeerkrankungen ableiten.