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Pressemitteilung

22. August 2024

Vor der Landtagswahl in Sachsen: Antidemokratische Agitation der AfD

Neue OBS-Studie analysiert Agitationstechniken der extremen Rechten +++ Im Fokus: Die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag +++ Grüne und CDU sind die zentralen politischen Feindbilder; Migration, Klimawandel und Gender die bestimmenden Themen +++ Partei nutzt die parlamentarische Bühne, um Unzufriedenheit, Misstrauen und Aggressionen zu verbreiten +++ Sie inszeniert sich als Bewegung der „einfachen Leute“ +++ Erkenntnisse der Studie sind nicht nur auf Sachsen beschränkt: Agitation darf nicht zum dominanten Modus der politischen Auseinandersetzung werden +++ Demokratie in Gefahr +++

Wenn die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag spricht, geht es oft wenig sachlich zu: Die Partei nutzt die parlamentarische Bühne für ihre agitatorischen Ziele. Entlang der Themen Migration, Klimawandel und Gender werden Bedrohungs- und Angstszenarien aufgebaut, die an verbreitete Ressentiments anschließen und bis hin zu einem Kampf um völkische Selbsterhaltung übersteigert werden. Das zentrale Feindbild sind die Grünen, aber auch die CDU steht im Fokus. Ihr wird vorgeworfen, die „wahren“ konservativen Werte zu verraten und sich der „grünen Ideologie“ zu unterwerfen. Die AfD selbst stilisiert sich als Bewahrerin konservativer Politik und beansprucht für sich, märtyrerhaft für die Sorgen der Bürger*innen zu kämpfen. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie „‚Falsche Propheten‘ in Sachsen“, die die Otto Brenner Stiftung veröffentlicht hat.

Die Analyse der Soziologen Ulf Bohmann (TU Chemnitz), Moritz Heinrich (TU Chemnitz) und Matthias Sommer (Universität Göttingen) zeigt detailliert, mit welchen rhetorischen Techniken die AfD ihre Themen setzt. Hierfür adaptieren und aktualisieren die Autoren das Konzept der Agitation, das Leo Löwenthal für seine wegweisende Studie „Falsche Propheten. Studien zur faschistischen Agitation“ in den 1940er Jahren entwickelt hat. Die Studie zeigt, dass es zwischen der Agitation der AfD und den von Löwenthal untersuchten politischen Reden weitreichende thematische Entsprechungen gibt, teilweise bis in die konkrete Wortwahl.

Zitat OBS-Autor Ulf Bohmann

„Agitation ist eine Form der politischen Rede, die allein darauf aus ist, Unzufriedenheit, Misstrauen und Aggressionen zu befördern. Wir sind durchaus überrascht, wie ausgeprägt die extreme Rechte im Sächsischen Landtag auch unter eigentlich zur Mäßigung anhaltenden parlamentarischen Bedingungen ihre agitatorische Rhetorik nutzt“, sagt Studienautor Ulf Bohmann mit Blick auf die Auswertung von 84 Parlamentsreden aus der aktuellen Legislaturperiode des sächsischen Landtages (2019-2024). In diesen werden Migration, Klimaschutz und Gleichstellungspolitik wiederkehrend als massive, verdrängende und überwältigende Bedrohungen für Sachsen dargestellt. Die sächsischen Bürger*innen spricht die AfD als Mitglieder einer völkischen Gemeinschaft an, die in ihrer Substanz angegriffen werde. „Die Agitation der AfD ist keine demokratische Oppositionsarbeit. In den agitatorischen Reden geht es nicht um konstruktive Politik, sondern darum, vermeintlich Schuldige für Krisenerfahrungen zu benennen und einen Opfermythos zu verbreiten“, so Ko-Autor Moritz Heinrich. In einer Wir-gegen-Sie-Logik werden Ressentiments, Wut, Angst und entsprechende Abwehrreaktionen besonders gegen Migrant*innen, Geschlechterforscher*innen, LGBTQ* sowie die Grünen befeuert. In ihrer Selbstdarstellung zeichnet sich die AfD als eine Bewegung der „einfachen Leute“ und nimmt darin zentrale Motive auf, die die Inszenierung der Führerfigur im Faschismus des 20. Jahrhunderts auszeichnete.

Die Grünen stehen speziell im Fokus: Sie werden als Ursache für das heraufbeschworene Unheil benannt. Als böswillige und gefährliche Elite arbeite die Partei systematisch an der Täuschung der Bürger*innen, ihre „Ideologie“ habe sie bereits über alle parteipolitischen Lager hinweg durchgesetzt. In der Feindbildkonstruktion werden immer wieder auch Assoziationen zur DDR-Vergangenheit aufgerufen, um diese mit der Gegenwart gleichzusetzen und eine kommende „Ökodiktatur“ vorherzusagen. „Die einfache Aufteilung der Welt in Gut und Böse, insinuierende Infragestellungen, alles in Zweifel ziehen und sich selbst als einzigen Träger der Wahrheit inszenieren: Das zeichnet Agitatoren als falsche Propheten aus“, fasst Ko-Autor Matthias Sommer einige der zentralen rhetorischen Techniken extrem rechter Agitation zusammen.

Zitat OBS-Geschäftsführer Otto Brenner Stiftung

Agitation ist kennzeichnend für die extreme Rechte. Aber bleibt nicht auf sie beschränkt. Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, hebt deshalb hervor, dass die Studienergebnisse über die anstehende Landtagswahl hinaus von Bedeutung sind: „In der politischen Auseinandersetzung lässt sich eine Zunahme agitatorischer Techniken beobachten. Das ist eine fatale Entwicklung, die den demokratischen Diskurs zersetzt.“ Indem die Studie zentrale Elemente agitatorischer Mobilisierung herausarbeitet, leistet sie auch einen wichtigen Beitrag für die politische Bildung: „Wie Löwenthal sind wir davon überzeugt, dass es eine genaue Analyse der Agitation bedarf, um ihre Funktionsweise und Anziehungskraft besser zu verstehen und zu entlarven“, so Ulf Bohmann.

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OBS-Arbeitspapier 70

Ulf Bohmann / Moritz Heinrich / Matthias Sommer: „Falsche Propheten“ in Sachsen – Extrem rechte Agitation im Landtag, OBS-Arbeitspapier 70, Frankfurt am Main, August 2024

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Kontakt zu den Autoren:
Dr. Ulf Bohmann
Technische Universität Chemnitz
Telefon: +49 371531 - 31153
E-Mail: ulf.bohmann@hsw.tu-chemnitz.de 

Kontakt zur Otto Brenner Stiftung:
Otto Brenner Stiftung
Geschäftsführer
Jupp Legrand
Telefon: 069 - 6693 2810
E-Mail: info(at)otto-brenner-stiftung.de
www.otto-brenner-stiftung.de