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Pressemitteilung

Studie der OBS: rechtspopulistische AfD betreibt Doppelstrategie

Noch im Sommer 2015 schien die „Alternative für Deutschland“ (AfD) politisch erledigt. Nach dem Chaos-Parteitag im Juli verließen Parteigründer Bernd Lucke und andere prominente Wirtschaftsliberale die Partei. Frauke Petry übernahm mit Unterstützung der rechtskonservativen Landesverbände aus dem Osten die Parteiführung. Die AfD verlor damit ihre bisherige ideologische Balance und rückte vor allem gesellschaftspolitisch nach rechts. In den Umfragen fiel sie bundesweit und in den Ländern unter die Sperrklausel, ihr Erfolgslauf schien gestoppt. Die Abspaltung des Lucke-Flügels und die Radikalisierung des Petry-Teils bedeuteten aber nicht das Aus für die Rest-AfD. Parallel zur Zuspitzung der Flüchtlingskrise stellte sich die AfD vor den Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt neu auf. Mit Erfolg: Der Einzug in die drei Landtage scheint momentan sicher, ihre Umfragen für den Bund stiegen auf Rekordergebnisse von zuletzt 12 Prozent.

Wie aber positioniert sich die AfD in Kernfragen? Was fordert sie und wie geht sie mit den erheblichen politischen Widerständen um? Die neue Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung vergleicht die AfD in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Analysiert werden Ausgangslage, Wahlprogramm und Organisation der AfD. Aber auch das Profil der Vorstände und Kandidaten, die Strategien im Wahlkampf und die Wählerpotenziale in den Ländern werden verglichen. Nach Auffassung der Otto Brenner Stiftung identifizieren die Autoren dabei gewichtige Unterschiede zwischen der Ost- und West-AfD. Aber sie lenken den Blick auch auf zentrale Gemeinsamkeiten, die in der turbulenten politischen Diskussion über die Partei zuweilen unterzugehen drohen:

  • Anders als in der alten Lucke-AfD steht die wirtschaftsliberale Euroskepsis in Programmen und Wahlkampf inzwischen eindeutig im Hintergrund. Die neue Petry-AfD fokussiert auf gesellschaftspolitische Themen, die in der Flüchtlingskrise aktualisiert und rechtspopulistisch zugespitzt werden.
     
  • Programmatische Kernforderungen finden sich in der Innen-, Geschlechter- und Familien-, sowie Zuwanderungs- und Asylpolitik: Die AfD fordert die Wiederherstellung von Sicherheit und Recht, den Erhalt traditioneller gesellschaftlicher Ordnung und die Stärkung hergebrachter Identitäten, die allgemein und besonders durch den Zuzug von Flüchtlingen in Gefahr seien. „Drakonische Bedrohungsbilder charakterisieren die AfD in ihren Kernthemen ebenso wie reaktionäre Antworten“, halten die Autoren fest.
     
  • Im Osten sind die AfD-Sympathisanten etwas jünger als im Westen. In allen drei untersuchten Bundesländern erreicht die AfD insbesondere bei Männern und bei Personen mit niedrigen oder mittleren Bildungsabschlüssen hohe Zustimmungswerte.

Neben einigen Gemeinsamkeiten entdecken die Autoren aber auch Unterschiede:

  • Während die AfD im Südwesten moderater und weitgehend im rechtskonservativen Rahmen argumentiert, sind ihre Forderungen in Sachsen-Anhalt klar völkisch-nationalistisch.
     
  • Die Selbstsicht ist im Westen betont bürgerlich-konservativ. Partei und Kandidaten streben eine Etablierung als konservative Kraft rechts der Union an. Im Osten dagegen tritt die AfD eher als „Bewegungspartei“ auf, die teils völkisch-nationalistisch mobilisiert und provoziert. 
     
  • Strategisch wird dies durch einen Fokus auf professionell agierende und gemäßigt wirkende Spitzenkandidaten erreicht. Jedoch: Unter den Landtagskandidaten sowie in den Landesparteien finden sich auch hier dezidierte Rechtsausleger.

„Dass die Autoren diese Doppel-Strategie der AfD entlarvt haben“, ist für Jupp Legrand, den Geschäftsführer der OBS, ein zentraler Aspekt der Untersuchung. Diesem Punkt werde aber bisher in der öffentlichen Auseinandersetzung nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet. „Auf der offenen Bühne gibt sich die Partei liberal-konservativ und bietet den Wählern, die von Merkels Modernisierung der CDU enttäuscht und von ihrer Flüchtlingspolitik verschreckt sind, eine neue politische Heimat an“. Aber das ist nur die eine Seite. Dass hinter den Kulissen uneinsichtige Hardliner mit Radikalisierungspotenzial das Wort führen und die Partei zu dominieren trachten, macht die AfD so gefährlich, betont die Stiftung, die die Ergebnisse der Untersuchung jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Mit Blick auf die weitere Entwicklung der AfD finden die Autoren wenig Anhaltspunkte, dass sich die AfD-Fraktionen in Parlamenten „von allein demaskieren, aufreiben, letztlich pulverisieren werden“. Vergleiche aus ganz Europa zeigen: „Auch aus dem Parlament heraus kann man mit Erfolg gegen die ‘Altparteien‘ wettern, im Namen des Volkes wüten, Diskurse vergiften“, schreiben die Autoren in ihrem Fazit.

Alexander Hensel, Lars Geiges, Robert Pausch und Julika Förster:
"Die AfD vor den Landtagswahlen 2016 – Programme, Profile und Potenziale“ 
OBS-Arbeitspapier Nr. 20: weitere Informationen zum Arbeitspapier

 

Kontakt zu den Autoren:
Alexander Hensel
Göttinger Institut für Demokratieforschung
Tel.: 0551- 391701 08
E-Mail: alex.hensel(at)demokratie-goettingen.de

Kontakt zur Stiftung:
Jupp Legrand
OBS-Geschäftsführer
Telefon: 069 - 6693 2810
E-Mail: info(at)otto-brenner-stiftung.de

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